Die grösste zusammenhängende Schlick- und Sandwattfläche weltweit, jährlich über zwölf Millionen durchziehende Zugvögel und mehr als 10’000 Tier- und Pflanzenarten – dafür steht das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer. Was die Alpen für die Schweiz, bedeutet das Wattenmeer für die Ostfriesischen Inseln.

2019 feiern die Ostfriesischen Inseln zehn Jahre Anerkennung des Wattenmeers als UNESCO-Weltnaturerbe. Auf der Website der UNESCO wird das Wattenmeer als «Ort der Extreme, Spielball der Gezeiten» treffend beschrieben. Das vor 10 Jahren zum Weltnaturerbe ernannte
Biosphärenreservat verbindet Deutschland, Dänemark und die Niederlande und erstreckt sich über eine Fläche von 11.000 Quadratkilometer. Es bildet mit Abstand die grösste zusammenhängende Schlick- und Sandwattfläche der Welt. Ein Naturwunder auf Augenhöhe mit einem Aletsch-Gletscher im Wallis oder dem Grand Canyon in den USA.

Kostbar & schützenswert
10’000 Tier- und Pflanzenarten: Von der Rotalge, über den Wattwurm und die Pfuhlschnepfe bis zum Seehund und dem
Schweinswal – die über 10’000 Tier- und Pflanzenarten sind einer der weltweit grössten Produzenten von Biomasse. Alle 6.5 Stunden gibt die Nordsee ihren sandigen Wattboden frei. D.h. Essenszeit für die über 60 Vogelarten. Für den Gast heisst es, die Schuhe in die Hand zu nehmen und ein Wunder der Natur zu betreten. Auch die Meeressäuger wie der Seehund, die Kegelrobbe oder der Schweinswal sind regelmässig zu beobachten. Auf Kutterfahrten, in Aquarien oder in der Seehund-Aufzuchtstation kann man viel über die Meeresbewohner und ihren Lebensraum erfahren.

Zwölf Millionen durchziehende Zugvögel
Etwas mehr als 17’000 Insulaner zählen die sieben Ostfriesischen Inseln. Doch im Herbst und im Frühjahr während mehreren Wochen explodiert die Bevölkerungszahl auf über zwölf Millionen. Wenn sich die Zugvögel am nahrungsreichen Wattenmeer erfreuen. Für
Vogelkundler und Hobby-Fotografen ein absolutes Highlight! Die Zugvogeltage im Nationalpark Wattenmeer vom 12. bis zum 20. Oktober 2019 bieten ein reichhaltiges Programm: Exkursionen zu Fuss oder per Schiff, Safaris für Kinder, Lesungen, Mal-Ateliers, Vorträge und vieles mehr.

Wattwanderungen
3 Fragen an Joke Pouliart (seit 12 Jahren staatlich geprüfter Wattführer und Nationalpark-Guide)

Was zeigen Sie Ihren Besuchern besonders gern?
Die Einzigartigkeit dieser maritimen Welt. Wenn ich der Gruppe etwas erzähle, lasse ich alle zurückgehen bis jeder mindestens zehn Meter Abstand zum Nachbarn hat. Dann bitte ich alle, sich umzudrehen. Das ist der Moment, in dem selbst quirlige Schulklassen ganz still werden. Dieses Bewusstsein, auf dem Meeresboden zu stehen, nichts als den Horizont zu sehen und nichts zu hören als das Glucksen des Wattbodens, den Wind und vielleicht einen Vogel – da wird man als Mensch ganz klein und ehrfürchtig.

Wann ist die Watt am schönsten? Und wie lange dauerte eine Wattwanderung?
6 Uhr morgens! Am frühen Morgen, wenn die Natur erwacht, ist es einfach wunderbar. Diese Touren sind für meine Gäste die schönsten. Eine Wattführung z.B. für Familien dauert 1,5 Stunden. Dabei vermittle ich vor allem Grundwissen über Ebbe und Flut, das Klima und die Tierwelt. Ganz anders ist eine Wattwanderung, die z.B. vom Festland nach Spiekeroog oder Langeoog führt und bis zu 4 Stunden dauert.

Kam die Flut mal schneller als gedacht?
Nein, noch nie. Dafür sind wir Wattführer zu gut ausgebildet. Zudem beginne ich z.B. eine Gezeiten-Tour immer mit dem Einsetzen der Flut, um die Gewalt und Kraft des Meeres zu zeigen – und natürlich, wie unglaublich schnell das Wasser kommt. Nach diesem Schauspiel geht keiner mehr unvorbereitet allein ins Watt.