Das Angenehme am Reisen auf Schiffen ist, dass man viel von der Welt sehen kann, ohne ständig das Quartier wechseln zu müssen. Deshalb sind Kreuzfahrten gerade bei älteren Passagieren so beliebt. Beruhigend ist auch, dass die Reisenden sicher sein können: Es ist immer ein Arzt an Bord. «Bucketlist» sprachen mit Dr. Brigitte Fleischer-Peter auf der «MS HANSEATIC» während einer Antarktis-Kreuzfahrt über das Leben als Schiffsärztin.

Text: Yvonne Beck

Frau Dr. Fleischer-Peter, seit wann sind Sie Schiffsärztin?
Ich fahre seit 25 Jahren zur See. Nachdem ich meinen Facharzt für Inneres und Kardiologie gemacht hatte, ging ich für drei Jahre auf die «MS EUROPA». Ich wollte etwas von der Welt sehen. Danach habe ich wieder auf dem Festland gearbeitet in Praxen und Kliniken – aber irgendwie hat mich die See nicht mehr losgelassen, und so bin ich bereits 1994 wieder auf einem Schiff gelandet. Meist für drei bis vier Reisen im Jahr. Das hat mir so gut gefallen, dass ich auf ein Forschungsschiff gegangen bin und einige Touren in die Arktis und Antarktis gemacht habe. Seit Anfang 2000 bin ich zurück bei Hapag-Lloyd Cruises und begleite nun zwei bis drei Reisen im Jahr.

 Welche Eigenschaften und Zusatzausbildungen braucht man als Schiffsärztin?
Man muss auf jeden Fall Rettungsmedizin gemacht haben und der sogenannte Emergency-Schein muss immer wieder erneuert werden. Zudem sollte man anpacken können und darf nicht zu zimperlich sein. Aber das habe ich schon in meiner Zeit als Notärztin gelernt.

Zu Anfang dieser Reise gab es einen «Ärztekaffee»? Warum treffen Sie sich mit anderen Ärzten an Bord?
Das ist nicht ganz uneigennützig. Es ist immer gut zu wissen, was für andere Kollegen, sprich welche Fachrichtungen im Notfall noch mit an Bord sind. Besonders in Fahrgebieten wie der Antarktis ist das wichtig. Zahnärzte sind übrigens besonders beliebt, denn diese werden häufig gebraucht. Auf dieser Reise ist jedoch keiner an Bord.

Aber was machen Sie nun, wenn ein Passagier mit einer dicken Backe zu Ihnen kommt?
Das ist kein Problem. Ich habe einen kleinen Bohrer und würde den Zahn aufbohren. Ungerne würde ich einen Weisheitszahn ziehen, aber auch das habe ich auf einem Polarschiff schon machen müssen. Ich weiss, wo ich welche Spritze setzen muss und wie ich notfalls einen Zahn richtig ziehe.

Muss man als Bordärztin ein medizinisches Allroundtalent sein? An Land haben Sie immer die Möglichkeit, Ihren Patienten mal eben an einen Kollegen zu überweisen. Hier sind Sie mehr oder weniger auf sich gestellt …
Ja, an Bord eines Schiffes behandelt man einfach alles. Von Haarausfall bis Fusspilz, aber auch von Infarkt bis hin zu Knochenbrüchen. So kann ich inzwischen beispielsweise jede Art von Gips anlegen.

Mit welchen Beschwerden kommen die Passagiere am häufigsten zu Ihnen?
An den ersten Tagen sicherlich mit Seekrankheit. Das liegt gar nicht unbedingt an der rauen See, sondern an der langen Anreise und dann noch auf ein Schiff zu steigen … das bekommt vielen Passagieren anfangs nicht.

Was ist das beste Mittel gegen Seekrankheit?
Das ist ganz typabhängig. Pflaster können beispielsweise starke Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, erhöhter Augendruck, Sehstörung haben. Bei älteren Menschen kann zudem Verwirrtheit auftreten. Daher wäge ich ganz genau ab, wem ich was verabreiche.

Seekrankheit ist unangenehm, aber es gibt bedeutend schlimmere Erkrankungen. Was machen Sie zum Beispiel bei einer Blinddarmentzündung?
Operativ kann ich hier niemanden versorgen, aber antibiotisch. Bei einem Durchbruch könnte ich jedoch eine Spülung durchführen. Wenn der Zustand lebensbedrohlich wird, müssten wir die Reise abbrechen und den Passagier schnellstmöglich an Land bringen. In Gebieten wie der Antarktis kann das schon mal zwei, drei Tage dauern, aber so lange kann ich den Zustand meist stabilisieren.

Hatten Sie schon solche kritischen Fälle?
Ich hatte schon alles … von einer offenen Fraktur über einen akuten Infarkt … In 25 Jahren ist mir wirklich alles untergekommen.