Es ist die älteste Schweizer Siedlung in den USA, die amerikanische Kleinstadt New Bern an der Ostküste von North Carolina. Ein Berner gründete sie vor über 300 Jahren. Heute ist New Bern die einzige offizielle Tochterstadt von Bern. Eine transatlantische Freundschaft. Seit über hundert Jahren gilt New Bern als Berns Tochterstadt, und das hinterlässt Spuren: Das Wappentier der Eidgenossen ist in der kleinen Stadt in den USA omnipräsent. In jedem Rathaus hängen die Fahne der Schweiz und die von Bern. Mit einem gewissen Stolz zeigt man, dass man von einem Schweizer gegründet wurde.
Text: Yvonne Beck
«Erfund ich Sie meistends Gottlose aufrührische Leuth, darunter Mörder, Dieben, Ehebrecher, Flucher und Lesterer … was ich mit ihnen ausgestanden, das weiss Gott.» (aus den Aufzeichnungen Graffenrieds zur Gründung New Berns)
Im Kampf gegen die Ureinwohner
Gegründet wurde New Bern im Jahr 1710 vom Schweizer Adeligen Christoph von Graffenried, der sich mit einigen Landsleuten und zahlreichen deutschen Immigranten auf den Weg von der Alten in die Neue Welt aufgemacht hatte. Armut war ein Grund, aus dem Bernbiet auszuwandern. Auch die verfolgten Täufer wanderten nach Amerika aus, oder sie wurden gar dorthin deportiert. Bei dem reichen Patriziersohn Christoph von Graffenried standen jedoch die Reiselust, der Traum nach fremden Welten und eine romantische Vision vom Wilden Westen im Vordergrund. Doch schon während der Überfahrt begannen die Scherereien und Schwierigkeiten, unterwegs wurden sie von französischen Piraten überfallen, die sich fast der gesamten Ladung und aller Habseligkeiten bemächtigten. Endlich an der Küste Nord Carolinas angekommen, gründete der Baron von Graffenried im Auftrag der englischen Krone die Siedlung New Bern, benannt nach seiner Heimatstadt Bern. Das Land war jedoch von den Tuscarora-Indianern besiedelt, welche unbarmherzig aus dem Gebiet vertrieben wurden. Doch ein echter Indianer lässt sich so etwas natürlich nicht ohne Weiteres gefallen, sie wehrten sich heftig gegen die wachsende Invasion ihres Territoriums durch die Bleichgesichter und gegen die aufkommende Versklavung. Bei einem Ritt zu einer Silbermine wurde von Graffenried durch die Indianer gefangen genommen. Während seiner Gefangenschaft überfielen die Tuscarora die Siedlung New Bern und brannten fast alle Gebäude nieder. Von Graffenried überlebte zwar die Gefangenschaft. Kehrte jedoch 1714 verarmt und verbittert in die Schweiz zurück. Die amerikanische Stadt New Bern soll er für angeblich gerade mal 800 britische Pfund verkauft haben.

Und ewig grüsst der Bär
Heute hingegen erfreut sich New Bern wieder grosser Beliebtheit unter den Eidgenossen. Immer wieder hört man auf den Strassen Schwyzerdütsch. Viele Besucher sind auf der Fährte ihrer Vorfahren – man liebt halt den «exotischen» Einschlag, und wer hat schon nicht gerne einen der ersten Siedler Amerikas in der Familie? Und auch wenn man keine Familienangehörigen mehr findet, so fühlt man sich doch ein bisschen heimisch in der Stadt, denn überall begrüssen einen Bären – das Wappentier der Berner. Ob als Skulptur in Vorgärten, als Wimpel an Häusern, Aufklebern auf Autos oder Fahnen am Mast. Auch die Fahrzeuge der Stadt und die Uniformen der städtischen Bediensteten schmückt der Bär.Selbst New Berns erste Flagge, ein Geschenk der Stadt Bern aus dem Jahr 1896, ist noch heute im Gerichtssaal des Ratshauses in New Bern ausgestellt.

Auf den Spuren der Geschichte
Ja, New Bern pflegt sein historisches Erbe. Für alle alten Häuser gelten strenge Denkmalschutzbestimmungen, und selbst wenn eines der alten Gebäude mal irgendwie ungünstig platziert ist, wird es kurzerhand abgebaut und an einem anderen Platz wieder aufgebaut. Auch das North Carolina History Center, ein ultramodernes Museum, beschäftigt sich mit der Geschichte des US-Bundesstaates und der Stadt New Bern. Dieses Museum liess sich der Staat fast 60 Millionen US-Dollar kosten. Doch die Investition hat sich gelohnt, es bietet eine Menge interaktive Elemente an. Besucher können sich individuelle Rundgänge auf ihre Smartphones laden und sich so durch die Ausstellungen führen lassen. Oder Bilder fangen plötzlich an zu sprechen und bringen einem alte Rezepte näher. Wie eine Fahrt durch einen Timetunnel taucht man hier in die lebendige Geschichte des 18. Jahrhunderts ein und lernt spielerisch eine Menge über die Gesellschaft und den Handel dieser Zeit. Der Bau eines Hafens und die vorteilhafte Lage New Berns an der Mündung des Neuse River in den Pamlico Sound begünstigten den Handel mit Grossbritannien und den britischen Kolonien. So mauserte sich New Bern schnell zum wichtigen Handelsumschlagsplatz, so dass sogar der damalige Gouverneur William Tryon beschloss, mit seiner Regierung in die aufstrebende Metropole umzuziehen. Der Gouverneur – nicht gerade ein bescheidener Mann – finanzierte das Kapitol, den Regierungssitz North Carolinas und gleichzeitig sein privater Wohnsitz, mit zusätzlich erhobenen Steuern. Die dadurch verärgerten Bürger nannten das heute noch imposante Gebäude daraufhin Tryon Palace. Tryon Palace ist ein für die damalige Kolonialarchitektur typisches imposantes Backsteingebäude, welches nach kompletter Restauration wieder in seiner vollen Pracht besichtigt werden kann. In ihm taucht man in die Geschichte North Carolinas ein. Bereits an der Pforte wird man von historisch gekleideten Guides begrüsst. Bei einem Rundgang durch die Gebäude und Gärten des ehemaligen Kapitols lernt man vieles über die glanzvolle, aber auch unruhige Zeit des 18. Jahrhunderts.

Die Geburtsstadt der Pepsi-Cola
Ganz in der Nähe des ehemaligen Gouverneurpalastes lädt der Historic District mit Stadthäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert zum Bummeln und Einkaufen ein. Im Jahre 1893 mixte hier der Apotheker C. D. Bradham einen Sirup, versetzte ihn mit kohlesäurehaltigem Wasser und verkaufte das Getränk als «Brad’s Drink». 1898 taufte er das Getränk Pepsi-Cola, nach dem Enzym Pepsyn, welches in der Kolanuss enthalten ist, und gründete vier Jahre später die Pepsi-Cola Company, welche jedoch im Jahre1923 Konkurs anmelden muss. Bradham verkauft sein Unternehmen. Die Zuckerknappheit während des Ersten Weltkriegs trieb Bradham in den Ruin, doch sein Produkt, das heute weltweit bekannt ist, hat seinen Siegeszug um den Globus in New Bern angetreten. In den 1930er Jahren kann sich das Getränk, in neuer Verpackung, nach und nach bereits in den USA etablieren und ab 1950 eroberte es den Rest der Welt. In New Bern an der Ecke Pollock Street und Middle Street, wo sich einst Bradhams Apotheke befand, ist heute ein Pepsi-Laden zu finden, in dem man alle möglichen gebrandeten Pepsi-Souvenirs erstehen kann.
