Wer sich für Kultur interessiert, kommt an der kanadischen Metropole nicht vorbei. In der Theater- und Tanzszene belegt Toronto die vordersten Ränge. Mitten im Herzen der beeindruckenden und modernen Architektur gedeiht ein grosser kreativer Geist.

Text: Yvonne Beck

Die magische Skyline von Toronto mit dem CN Tower. Der mit 553 Metern lange Zeit das höchste freistehende Gebäude der Welt war. / Bild: © shutterstock.com

Toronto ist nach Mexico City, Los Angeles, New York und Chicago Nordamerikas fünftgrösste Stadt.

Toronto hat sich als Kanadas Finanz- und Geschäftszentrum etabliert. Trotz des geschäftlichen Treibens trifft man jedoch überall auf echte kanadische Lebensfreude und einen regen Kulturbetrieb. Während die Stadt am Tage eines der grössten Finanzzentren Nordamerikas ist, wird sie nachts zum Dreh- und Angelpunkt für Unterhaltung und Kunst. Innerhalb der Englisch sprechenden Welt ist Toronto nach London und New York das drittgrösste Zentrum für Live-Theater. Die kommerzielle Theaterszene der Stadt bietet im Durchschnitt 50 verschiedene Produktionen pro Monat.

Rund um den Kensington Market geht es bunt her. Hier tobt sich die Kreativszene Torontos aus. / Bild: © shutterstock.com

Die zwölf wichtigsten Sprachen in Toronto sind: Englisch, Kantonesisch, Italienisch, Portugiesisch, Polnisch, Spanisch, Französisch, Deutsch, Griechisch, Tagalog, Punjabi und Ukrainisch.

Little, big, canadian NYC
Die Stadt lebt durch ihren bunten Mix der Kulturen, aus dem eine ansteckende Kreativität und fröhlicher, spannender Grove entspringt, den man sonst nur in New York erlebt. Die kanadische Metropole hat vieles mit New York gemein. Sie ist multikulturell, brodelt vor Kreativität und wird von einem «beflügelten» Lebensgefühl getragen. Auch optisch könnte man sich in manchen Bezirken im Big Apple wähnen. Diese Ähnlichkeit nutzen vor allem Filmschaffende, um Szenen, die laut Drehbuch eigentlich in Manhattan spielen sollten, im kostengünstigeren Toronto zu drehen. Und so wundert es nicht, dass wir bereits bei unserem ersten Aufenthalt in einen US-Seriendreh geraten. Anders als in New York, regt sich jedoch keiner über eine wegen Filmarbeiten gesperrte Strasse auf, sondern man ist stolz drauf, dass in der Stadt etwas passiert und man selbst ein Teil davon ist. Und während man sich in New York als Besucher manchmal etwas verloren fühlt, empfängt einen Toronto mit seiner für Kanada typischen Offenheit und Toleranz.

Toronto beherbergt mehr als 100 Kulturen.

Kanadische Landschaftsmaler
Das ROM (Royal Ontario Museum) und das AGO (Art Gallery of Ontario) sind die beiden herausragendsten Museen der Stadt und nicht nur wegen ihrer umfangreichen Sammlungen ein Muss, sondern dank ihrer spektakulären modernen Anbauten zugleich prägend für das Gesicht der Stadt. Die Art Gallery of Ontario gehört zu den bedeutendsten und mit rund 45.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche auch zu den grössten Kunstmuseen Nordamerikas. Das am östlichen Rand der Chinatown gelegene Museum hat die drei Sammlungsschwerpunkte: kanadische Malerei, europäische Malerei und Skulpturen von Henry Moore. Das Museum hat insgesamt über 68.000 Exponate, beispielsweise Arbeiten von Cornelius Krieghoff, Tom Thomson, Emily Carr, David Milne, Paul Peele und der Künstlergruppe «Group of Seven» in der Kollektion zur kanadischen Malerei. Die «Group of Seven» war ein Kreis kanadischer Landschaftsmaler, die für ihre Darstellungen der Natur und des Lebens in den kanadischen Weiten bekannt wurde. Die Zahl 7 bezieht sich auf die Gründungsmitglieder Franklin Carmichael, Lawren Harris, Alexander Y. Jackson, Frank Johnston, Arthur Lismer, James E. MacDonald und Frederick Varley. Weitere, mit der Gruppe verbundene kanadische Künstler waren Emily Carr, Tom Thomson und Stuart McCormick. Die erste Ausstellung der «Group of Seven» erfolgte im Jahr 1920; die Ausstellung erhielt gemischte Kritiken, die kanadische Weite galt vielen damals noch nicht als ein Thema von künstlerischem Wert. Erst später wurde die «Group of Seven» für ihre Pionierleistungen geschätzt; allerdings wurde auch der oft schwärmerische Inhalt der Bilder, die Kanada als ein vom Menschen unberührtes Gebiet zeigten (und damit die Realität oftmals verfälschten), kritisiert. Zur Bekanntheit der Gruppe trug sicherlich der mysteriöse Tod Tom Thomsons bei, einer der ersten «Umweltschützer» Kanadas – zu einer Zeit, zu der es den Begriff «Umweltschutz» noch gar nicht gab.

Das Royal Ontario Museum (ROM) besitzt eine bedeutende völkerkundliche Sammlung zu Kulturen aller Kontinente. / Bild: © shutterstock.com

Kulturgeschichte & all about Shoes
Das Royal Ontario Museum hingegen verfügt über bemerkenswerte Sammlungen von Dinosauriern über Geschichte und Kultur Ägyptens, Südamerikas, des Nahen Ostens, Afrikas, Ostasiens und Europas; ausserdem findet man Sammlungen über die Geschichte, Kultur und Artenvielfalt Kanadas sowie fünf Millionen andere Ausstellungsstücke zur Kunst, Archäologie und Wissenschaft. Insgesamt besitzt das Museum über sechs Millionen einzelne Exponate und ist damit eines der grössten Museen Nordamerikas. Diese beiden Museen führen die Liste der Museen an, doch ist in Toronto für jeden Geschmack etwas geboten. Für Sportfans gibt es die Hockey Hall of Fame, in der auf einer Fläche von 5.500 m2 die beste Sammlung von Eishockey-Artefakten aus der ganzen Welt ihr Zuhause gefunden hat. Für Liebhaber der viktorianischen Zeit empfiehlt sich das Spandina Museum, in dem am Beispiel der reichen Toronter Austin-Familie mit edlen Möbeln und Innenausstattung der Lebensstil um die Wende des 19./20. Jahrhunderts dargestellt wird. Und sogar Schuhfetischisten kommen in Toronto auf ihre Kosten.

Die Schuhkönigin Sonja Bata  Bild: © Bata Shoe Museum

Der Papst, Marilyn Monroe und Kobe Bryant – ihre Fussbekleidung vom roten Schuh über sexy High Heels bis hin zu Sneakers in Grösse 48 sind Teil der mehr als 13.000 Schuhe und damit verbundenen Artefakte umfassenden Kollektion, die das Bata Shoe Museum in der Bloor Street West in Downtown Toronto beheimatet. Von aussen gleicht das fünfstöckige Gebäude einem riesigen Schuhkarton. Einem Schuhkarton, der Zigtausende Schuhe beinhaltet. Die gebürtige Schweizerin Sonja Bata dokumentiert hier die 4500-jährige Geschichte der Schuhmacherei. In der Dauerausstellung kann man zum Beispiel 3550 Jahre alte Grabschuhe aus Theben, 1500 Jahre alte Sandalen der Anasazi oder Mahatma Gandhis Leder-Chappals bewundern. Ausgestellt werden jedoch ebenso die Plateauschuhe von Elton John. Das Shoe Museum wird durch zahlreiche Forschungsreisen mit historischem Material und neuen künstlerisch wertvollen Schuhwerken von Lady Gaga bis zu den legendären rotsohligen Schmuckstücken Christian Louboutins bestückt.

Das Heiligtum des Museums befindet sich jedoch im Keller, in der Schuhschatzkammer. Hier reihen sich Schuhgeschichte und -kultur aus vergangenen Jahrtausenden, die jährlich um rund 300 neue Paare ergänzt werden. Hier befinden sich mit Glöckchen geschmückte Padukasm, traditionelle Sandalen, die in Indien von Bräuten getragen werden, kniehohe, japanische Fumidawara-Fusseimer aus Schilf, italienische Chopinen aus der Renaissance und französische Clogs mit Eisenspikes aus dem 19. Jahrhundert zum Aufbrechen von Walnüssen. Seit 1894 hat sich der Name Bata in der Schuhindustrie etabliert. Im tschechischen Mähren gegründet, exportiert das Unternehmen weltweit seit Anfang des 20. Jahrhunderts und ist besonders in Kanada auch sozial engagiert. In den 1940er-Jahren begann Sonja Bata, von ihren Weltreisen Schuhe jeglicher Art, von einfach bis aussergewöhnlich, von uralt bis hochmodern, mitzubringen und diese leidenschaftlich zu sammeln – der wachsende Umfang der Mitbringsel führte zur Gründung der Bata Shoe Museum Foundation und 1995 zur Eröffnung des Museums. Dieses Museum ist ein wahres Paradies für alle Schuhliebhaber, aber auch kulturhistorisch interessierte Menschen.

Toronto ist die Graffiti- und Street-Art-Hauptstadt Nordamerikas. Die schönsten „Kunstwerke“ entdeckt man auf rund um den Kensington Market. /  Bild: © shutterstock.com

Place to stay
Obwohl das Le Germain Maple Leaf Square Hotel mitten im neuen, trendigen SOCO Neighbourhood (South Core) liegt, nur wenige Schritte vom Air Canada Centre, ist es eine ruhige Oase aus Eleganz und Stil. Dieses Juwel der modernen Architektur verkörpert den Begriff des Boutique-Hotels. Es bietet den ausgezeichneten Service eines 5-Sterne-Hauses, aber den Charme und die Herzlichkeit eines trendigen Boutique-Hotels. Die modern und grosszügig gestalteten Zimmer lassen keine Wünsche offen.
www.legermainhotels.com

Die Kunst der Strasse
Graffiti, für manche Leute eine Art der öffentlichen Kunst, die Strassenzüge und Häuser verschönert, für andere purer Vandalismus. So oder so ist Graffiti ein stetig in Veränderung begriffener, unausweichlicher und faszinierender Teil der Kultur. In Toronto sind Street Art und Graffiti ein echter Hingucker. Gilt die Stadt doch als die Graffiti- und Street-Art-Hauptstadt Nordamerikas. Rund um Kensington Market finden sich Kunstwerke von UBER, Shepard Fairey und anderen Street Artists. Kaum ein Haus oder Mauern, die nicht bemalt bzw. besprüht wurden. Diverse Agenturen bieten Graffiti-Touren mit Street-Art-Künstlern an, auf denen die gesprayten Werke interpretiert und erklärt werden. Auf diesen meist zweistündigen Touren lernt man Nebenstrassen und Gassen in der Innenstadt Torontos kennen, die in keinem Reiseführer vorkommen. Ein lokaler Experte informiert dabei über die Geschichte und die unterschiedlichen GraffitiStile . Eine spannende Art, die Stadt kennenzulernen.

 

Torontos Hauptstrasse Yonge Street, ist mit 1.886 km die längste Strasse der Welt.