Lima gilt als Mekka für Gourmets, denn die peruanische Küche ist die vielfältigste der Welt. Peru hat Urwald am Amazonas, den Pazifischen Ozean und Städte in über 3000 Metern Höhe. Die peruanische Küche der Hauptstadt vereint Zutaten aus all diesen Regionen. Mehr Vielfalt geht nicht!

Zweifellos ist die peruanische Küche unglaublich abwechslungsreich. Dafür gibt es einige gute Gründe. Zunächst ist das Land selbst ein Ort der Extreme mit seinen über 80 Mikroklimata und seiner Biodiversität, die sich über drei Hauptgebiete erstreckt: die heisse trockene Küstenregion, in der  Zitrusfrüchte gedeihen; die Plateaus und Terrassen der Anden, die in grosser Höhe kühle Bedingungen für Kartoffeln und Bohnen bieten und schliesslich die feuchten regenwaldgebiete des Amazonasbecken. Jede Vegetationszone hat ihre eigenen Gewürze und Geschmäcker. Köche aus Peru haben gelernt, die extrem unterschiedlichen Zutaten perfekt zu verbinden. Peru ist gesegnet: Klima und Böden sorgen dafür, dass Obst und Gemüse riesig werden, und es gibt fast alles das ganze Jahr über. Dazu kommen Fisch und Meeresfrüchte – eine Vielfalt, von der andere Länder nur träumen können. Eine Pflanze hält sogar den Weltrekord: die Kartoffel! Sie ist die Leib- und Magenspeise der Peruaner. Seit Tausenden von Jahren wird sie im Hochland rund um den Titicacasee angebaut. Die Inkas hielten sie für ein Geschenk des Schöpfergottes Viracocha, damit seine Gläubigen niemals Hunger leiden müssten. Heute verblüfft die Kartoffel durch ihre Vielfalt.

Bartender
Perus berühmter National-Cocktail wurde von einem Amerikaner namens Victor V. Morris erfunden. Er stammte aus Salt Lake City und zog 1903 nach Lima, wo er die Morris Bar eröffnete. Hier erfand er den Pisco Sour als Alternative zum damals angesagten Whiskey Sour. Die Bar wurde hauptsächlich von Englisch sprechenden Diplomaten, Politikern sowie Künstlern und Schriftstellern besucht, die zur Popularität des Pisco Sour jenseits der Grenzen Limas und Perus beitrugen. Victor Morris verstarb 1929 und im gleichen Jahr schloss die Morris Bar ihre Tore. Ein handschriftliches Original des Pisco-Sour-Rezepts wurde nie gefunden. Pisco Sour wird mit drei Teilen Pisco, je einem Teil Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar mit Eis gemixt und ins Glas abgeseiht. Der Cocktail kann mit einer Messerspitze Zimt verfeinert werden.

Wie Gott in Peru
In Peru gibt es rund 5000 kultivierte oder wild wachsende Kartoffelsorten in den verschiedensten Farben – braun, lila, rot, weiss, gelb. Hinzu kommen 650 Obstsorten und 2000 Fischarten aus dem Pazifik. Was auf den Märkten Limas ausliegt ist ein einziges Fest. Kein Wunder, dass bereits der berühmte französische Chefkoch Auguste Escoffier die peruanische Küche zu Beginn des 20. Jahrhunderts als «eine der besten Küchen der Welt» beschrieb. Es dauerte jedoch eine lange Zeit, bis sie auf breiter Ebene Erfolg hatte. Mehr als 500 Jahre vergingen, bis die peruanische Esskultur ihre heutige Form fand. Beginnend mit einheimischen Aromen und Zutaten und der Vermischung mit Einflüssen, die Einwanderer aus Spanien, Italien, Afrika, China und Japan einbrachten, entwickelte sich die Küche Perus zu einer der faszinierendsten, abwechslungsreichsten, geschmackvollsten und gesündesten Küchen der Welt. Die peruanische Nation setzt sich aus zahlreichen Ethnien zusammen. Die Urvölker und die vielen unabhängigen Stämme, die heute noch tief im Herzen der Anden zu finden sind, betrieben streng organisierten Ackerbau, unter anderem von Kartoffeln und Quinoa. Ihre Küche war reich an Eintöpfen und Suppen. Sie verwendeten Kartoffeln und Chilis, erlernten die Kunst des Konservierens und Trocknens, verwendeten Würzkräuter und assen eine frühe Form des Ceviche.

Das Nationalgericht und der Flaschengeist
Das Gericht, das heute als Ceviche bezeichnet wird, ist demjenigen sehr ähnlich, das bereits vor Tausenden von Jahren zubereitet wurde. Dank der durch die Spanier eingeführten Zutaten wie Zwiebeln, verschiedene Zitrusfrüchte und Limetten entstand das moderne Ceviche. Das Konzept des Ceviche ist sehr einfach: Fisch oder Meeresfrüchte von sehr frischer Qualität für einige Minuten in einer Zitronenmarinade (leche de tigre) einlegen und sofort servieren. Dazu reicht man meist «cancha» (geröstete Maiskörner) und eine Portion Marinade in einem Schnapsglas. Heute gilt Ceviche als peruanisches Nationalgericht. Es wird derart gefeiert, dass es seinen eigenen Festtag hat – den Nationalen Ceviche-Tag. Es gibt endlose Kombinationen und Rezepte. Jede peruanische Familie kennt ihre eigene Variante. Das ideale Getränk zum Nachspülen ist ein Pisco Sour.

Kaum zu glauben, dass ein Branntwein zwei Nationen an den Rand eines Krieges bringen kann, doch um den Pisco tobt seit Jahrhunderten ein erbitterter Streit zwischen Peru und Chile. Mit einer Inbrunst, wie sie sonst nur Fussballspielen vorbehalten ist, beanspruchen beide den Pisco als ihr Nationalgetränk. Einig ist man sich nur über den Ursprung: Spanische Siedler brannten ihn erstmals im 16. Jahrhundert in den Küstentälern von Südperu und tauften ihn entweder nach der Hafenstadt Pisco, von der er verschifft wurde, oder nach den Keramikgefässen namens «pisco», in denen er alterte. Heute ist die peruanische Oasenstadt Ica das Zentrum der peruanischen Pisco-Brennereien. 80 Bodegas produzieren Millionen von Flaschen pro Jahr. «Purer» Pisco mit 38 bis 46 Volumenprozent wird sortenrein aus einer Traubenart gebrannt, bevorzugt aus den dunklen Quebranta-Trauben, die die Spanier mitbrachten. Traditionalisten kippen ihn pur, ohne Eis.

Streetfood & Dessert
Lomo Saltado gibt es beinahe an jeder Strassenecke Perus. Das Gericht kam mit den Chinesen ins Land, die vor vielen Jahren hier nach Arbeit suchten. Es handelt sich dabei um eine Fusion der chinesischen Zubereitungsmethode mit den peruanischen Zutaten: scharf angebratenes Rindfleisch, Chili, Tomaten, Zwiebeln, Sojasauce und Pommes frites. Häufig wird das Gericht mit hellem Reis serviert. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich zudem Anticuchos – am Spiess gegrillte Rinderherzen. Traditionell werden gekochte und in breite Scheiben geschnittene Maiskolben dazu gereicht, sowie eine halbe gegrillte Kartoffel. Für die Freunde scharfer Saucen gehört noch ein Löffel Ají dazu, eine peruanische Chilipaste, welche zu fast jedem Gericht gereicht wird. Wem es nach Süssem gelüstet, der sollte Picarones probieren. Die fettigen süssen Ringe, die in Sirup schwimmen müssen, gibt es auf fast jedem Markt. Ihr Ursprung sind die «buñuelos», frittierte Teigbälle, welche die Spanier mit ins Land brachten und die von den afrikanischen Sklaven nachgemacht wurden. Sie fügten dem Rezept jedoch noch Kürbis und Süsskartoffeln hinzu. Das Resultat: aussen knusprige und innen weiche Teigringe mit dem passenden Mass an Süsse.

Fazit: Der Titicacasee, der Machu Picchu und der Amazonas sind atemberaubend, aber wer nur zum Essen ins Land kommt, wird auch rundum glücklich. Die Vielfalt an Aromen, Zubereitungsarten und kulturellen Einflüssen trägt zu abwechslungsreichen Geschmackserlebnissen bei, die man sich in Peru durch den Magen gehen lassen sollte.