Seit vielen Jahren lebt und arbeitet Rolf Sachs in St. Moritz. Der Künstler, Millionenerbe und Sohn von Gunther Sachs ist tief verbunden mit dem Engadin. Wir trafen den Künstler und Produktdesigner zur Neueröffnung des «Hotel Walther» in Pontresina und sprachen mit ihm über seine Wahlheimat das Engadin, über Milcheimer und das Festival da Jazz.

Text: Yvonne Beck

Herr Sachs, Sie haben für das Hotel Walther eine Lichtinstallation erschaffen. Ist diese Installation eher Kunst oder Design?
Ich bezeichne mich eher als Künstler. Ein Designer muss viel mehr auf Materialien, Kosten und Nutzen achten. So gesehen mache ich es mir als Künstler einfacher.

Normalerweise sind Stühle Ihr Steckenpferd, dieses Mal haben Sie sich an eine Lichtinstallation gewagt. Wie kam es dazu, dass Sie diese für das «Hotel Walther» kreiert haben?
Ich kennen die Interior Designerin Virginia Maissen, welche für den Umbau des Erdgeschosses verantwortlich ist, schon seit meiner Schulzeit. Als sie mich anfragte, ob ich interessiert sei eine Lichtinstallation für die Bar des «Hotel Walther» zu machen habe ich gerne zugesagt.

Rolf Sachs Hotel Walther
Rolf Sachs gut gelaunt bei der Neueröffnung des Hotel Walther in Pontresina

Wie kommt man auf die Idee aus Milcheimern eine Lichtinstallation zu machen
Milchkesseli gehörten früher einfach zum alpinen Raum und passen daher gut ins Engadin. Es sind zirka 80 Milchkännchen, die wir in der ganzen Schweiz zusammengesammelt haben. Eins ist von Frau Walther persönlich – ein recht kleines, mit dem sie damals Milch geholt hat. Die Kannen hängen nun so von der Decke, dass ihre Öffnung nach unten zeigt. Dadurch kommunizieren sie mit dem Raum. Eine Bar sollte immer ein kommunikativer Raum sein, daher passt für mich diese Installation perfekt hierher. Ausserdem sieht’s gut aus – finden Sie nicht?

Wie gefällt Ihnen das Hotel Walther nach der Neueröffnung?
Ich denke, dass Virginia Maissen mit dem Umbau des Hotels eine wundervolle Arbeit geleistet hat. Ich war wirklich geflasht als ich das Ergebnis sah. Viele Hotels wollen und können nicht. Man renoviert mal hier ein bisschen und dann dort ein bisschen, aber es kommt nie zu einem stimmigen Ganzen. Im „Walther“ hingegen wurde für mich etwas geschaffen, was der Vergangenheit Rechnung trägt und doch Zukunft hat. Das gibt es nicht oft. Phillip Stark hat sich zum Beispiel in sehr vielen Häusern verewigt, seine Arbeiten haben weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt, aber es sind auch Arbeiten an denen man sich relativ schnell satt sieht – viele Hoteldesigns haben eine Ablaufzeit. Hier jedoch wurde etwas geschaffen was bleiben wird. Es wird einem Grandhotel gerecht und doch ist es extrem cool.

Hotel Walther
Die Lobby des Hotel Walther

«Hier im Engadin vergisst man manchmal was für tolle Produkte uns die Natur und das traditionelle Handwerk zu bieten haben.»

Andere Hoteliers sollten sich an diesem Umbau also ein Beispiel nehmen?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben in Europa das grosse Problem, dass viele Grandhotels verstaubt oder zu überladen wirken. Man hat die Liebe zum Material verloren. Da sind uns die Asiaten weit voraus. Sie arbeiten mit hervorragenden Materialien. Materialien, die man unbedingt anfassen will und mit denen man sich gerne umgibt. Hier im Engadin vergisst man manchmal was für tolle Produkte uns die Natur und das traditionelle Handwerk zu bieten haben. Eigentlich müsste man sich nur eine alte Engadiner Stube zum Vorbild nehmen und diese modern interpretieren. Hier im Wather spürt man auf jedem Zentimeter die Liebe zum Material, die Achtung vor der Tradition des Tals und der Geschichte des Hauses.

Gerade das Engadin lebte Jahre lang von seinen Stammgästen. Diese sterben jedoch langsam aus….
Ja, wir müssen dringend was tun, um das Engadin wieder zu verjüngen. Zum einen ist der starke Schweizer Franken ein Problem. Viele Menschen können sich einen Aufenthalt hier schlichtweg nicht mehr leisten. Viele Gäste, die früher ein, zwei Wochen im Jahr kamen kommen nur noch drei Tage. Ein weiteres Problem ist das falsche Image, welches die Medien vom Engadin und besonders von St. Moritz vermitteln. Immer wieder dieses Pferderennen auf dem zugefrorenen See, Pelzmäntel, Pudeldamen und Champagner…. Ich kann es wirklich nicht mehr sehen und hören. Das ist nicht St. Mortitz – St. Moritz ist viel viel mehr. Ja, wir sind keine Massentourismusdestination, das können und wollen wir ja auch gar nicht sein und die Tradition der Grandhotels zieht ein gewisses Publikum an, aber das Tal hat so viel zu bieten was nie gezeigt wird. Um das Engadin wieder interessanter zu machen muss ein Imagewandel her. Da sind sicherlich auch die Medien gefragt. Im Sommer zog das Tal schon immer ein älteres Publikum an. Die jüngeren Menschen interessieren sich noch nicht so fürs Wandern. Auch ich fühle mich noch immer zu jung zum Wandern – obwohl ich Jahrgang 55 bin –  aber ich bin trotzdem hier, denn es gibt so viele schöne Orte und spannende Dinge zu erleben.

Aber wie kann man den Sommer noch attraktiver machen, bzw. «cooler» für ein jüngeres Publikum?
Nun ich denke wir sind auf dem richtigen Weg. Vor allem im Bereich Kunst muss sich St. Moritz längst nicht mehr verstecken. Die Galerien im Tal haben eine extrem gute Qualität. Was sie hier finden ist wirklich erstaunlich.

Sie selbst sind Mitveranstalter des Festival da Jazz, das heuer seinen 10. Geburtstag feiert. Wie wird dieses Festival angenommen?
Extrem gut. Was hier in den letzten 10 Jahren an unvergesslichen Momenten und Stimmungen entstanden ist, ist unglaublich. Der Dracula Club hat dieses Festival im Sommer gebraucht und das Festival hat den Dracula Club gebraucht. Wir haben die weltbesten Jazz-Musiker dort und die Interaktion mit dem Publikum ist unvergleichbar.

Wie viele Personen passen in den Dracula Club?
Maximal 200, aber dann ist er bis zum Bersten gefüllt. Ohne Sponsoren könnten wir uns ein Festival auf diesem Niveau nicht leisten. Grob gerechnet müssten wir sonst pro Karte 800,- Franken verlangen. Das wollen wir nicht. Wir wollen kein elitärer Verein sein, sondern Jazz der Spitzenklasse feiern, Spass haben und dem Sommer im Engadin einen Topevent geben.

Was gefällt Ihnen besser, der Winter oder der Sommer im Engadin?
Ich mag beides sehr, man muss dieses Tal einfach abseits der Klischees sehen und erleben. Wir haben hier eine grossartige von der Natur gegebene Kulisse, tolle Kulinarik und spannende Kulturelle Events.

Und was ist ihr Lieblingsplatz im Engadin?
Der Stazersee. Am liebsten sitze ich ganz vorne am Steg und erfreue mich an der schönen Natur des Engadins. Schön ist es aber auch auf dem kleinen Balkon im Dracula Club. Seit wir diesen gebaut haben frotzle ich immer, dass ich nun meine eigene kleine Scala habe. (lacht)