Winterurlaub im Spreewald ist pure Entschleunigung. Abseits der Touristenmassen macht sich in einer scheinbar verzauberten Region eine entspannte Stille breit.

Bild: Peter Becker

Der Spreewald liegt etwa eine Stunde südlich von Berlin, im Südosten Brandenburgs. Hier teilt sich die Spree in unzählige Wasserarme, Fliesse genannt, die wie ein Labyrinth das Land durchziehen. Vor allem im Frühjahr und Sommer machen sich viele Besucher auf, um Teile der 1500 Kilometer Wasserwege durch Wälder, Wiesen und Dörfer zu erkunden. Seit 1991 ist der Spreewald Biosphärenreservat der UNESCO.

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Hier finden Pflanzen und Tiere, die andernorts inzwischen selten sind, einen ungestörten Lebensraum. Biber, Schwarzstörche und Seeadler sind hier Zuhause. Im Wurzelgeflecht der Fliesse fühlen sich die Fischotter pudelwohl. Sie sind die Charaktertiere des Spreewaldes und europaweit eine geschützte Marderart. Kein Wunder also, dass bereits Fontane die Fliesse des Spreewalds auf seiner «Wanderung durch die Mark Brandenburg» als einzigartig beschrieb.

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Bild: Bootsverleih Richter / Kajaksports GbR

Kahnfahrt mit Glühwein und Wolldecke
Dass der Spreewald jedoch auch im Winter einiges zu bieten hat ist den meisten noch nicht bekannt. Dabei kann man gerade hier der grauen, dunklen und nassen Jahreszeit entfliehen. Der Spreewald wartet mit Winterfreuden voller Schnee, glücklich machenden Orten oder gar zugefrorenen Seen auf. Eine Kahnfahrt gehört zu den Klassikern beim Spreewaldbesuch und darf auch im Winter nicht fehlen. Eingekuschelt in Decken, mit einem Glühwein oder Kakao in der Hand und im Schein eines flackernden Kamins wird es dann besonders gemütlich. Viele speziell auf den Winter abgestimmte Kahnfahrten ermöglichen ein Erlebnis der besonderen Art. Wie könnte man besser in die Stille und Mystik dieser Landschaft eintauchen? Es ist sehr still im winterlichen Spreewald, die Flusslandschaft erstrahlt als weisse Glitzerkulisse, die nicht von dieser Welt scheint. Frostig weisse Äste längs der Wasseradern bilden ein Glitzermeer aus Eiskristallen entlang des Weges. Langsam und ruhig gleitet das Boot mit seinen Passagieren durch dieses Winter-Wonderland. Der Kahnführer stakt den traditionellen Holzkahn durch das Wasser –  ein bisschen wie die Gondoliere in Venedig. Dabei versorgt er die Gäste mit Sagen und  spannenden Informationen über die Region. So erfährt man zum Beispiel, dass selbst die Müllabfuhr und die Postboten hier mit Booten unterwegs sind. Verpflegung gibt es in Form einer Schmalzstulle und einer Gurke von einem der vielen Spreekioske. Wer lieber selbst aktiv unterwegs ist greift auf ein Kanu oder ein SUP zurück. Mit etwas Glück gefriert sogar das Wasser und Schlittschuhläufer und Stossschlittenfahrer freuen sich über die Eisfläche. Und wird es draussen doch mal zu eisig bieten die Wellness- und vor allem Kulinarik-Angebote des Spreewalds genügend Möglichkeiten, um wieder aufzutauen.

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Mit dem Kahn zur Gurke
Im Herzen des Oberspreewaldes liegt das winzige, unter Denkmalschutz stehende Dorf Lehde. Grösstenteils besteht der Ort aus Inseln (im Spreewald «Kaupen» genannt) und viele Höfe sind nur über das Wasser erreichbar. Fontane nannte das Dorf «Lagunenstadt im Taschenformat».

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Auch wenn Lehde heute längst vom Tourismus lebt wird Tradition ganz gross geschrieben. Fischkästen, Heuschober und alte Blockhäuser säumen die Kanäle. Hechte, Zander, Karpfen und Schleien leben in den Fliessen. Das Recht zu fischen wird im Spreewald mit dem Grundbesitz einer Familie weitervererbt. Frischer Fisch aus dem Fliess ist eine der vielen Delikatessen aus dem Spreewald.

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Zwanzig Minuten entfernt von Lübbenau liegt Wanninchen. Im Jahre 2000 kaufte die Heinz-Sielmann-Stiftung ein ehemaliges Tagebau-Areal, um es der Natur zurück zu geben. Seltene Pflanzen und Tiere haben hier ein neues Zuhause gefunden. In den Herbstmonaten kommen tausenden Kraniche nach Wanninchen, um sich für die Weiterreise in ihr Winterquartier zu stärken. Es gibt ausreichend Nahrung und die ausgedehnten Wasserflächen sind sichere Schlafplätze. Das Heinz Sielmann Naturerlebnis Zentrum hat ganzjährig geöffnet.

Die bekannteste Spezialität ist sicherlich die Spreewaldgurke. Zirka 46.000 Tonnen Gurken werden pro Jahr im Spreewald verarbeitet. Ob Gewürzgurke, Senfgurke, Knoblauchgurke oder saure Gurke, jede Familie, jeder Betrieb hat sein eigenes streng gehütetes Geheimrezept. Die saure Gurke ist die älteste und klassischste Gurke des Spreewalds, meist nur in Salz und Dill eingelegt. Heute der Exportschlager des Spreewaldes. Wer mehr über die grüne Köstlichkeit erfahren will sollte sich im Sommer auf den 260 Kilometer langen Gurken-Radweg begeben. Vorbei an unzähligen Degustationsmöglichkeiten, zum Gurken Paule mit seinen Gurkenseminaren, der Gurkenmeile in Lübbenau oder zur Fabrik- und Produktionsbesichtigung der Gurkenfabrik Rabe. Lübbenau gilt als touristische Hauptstadt des Spreewaldes. Hier kann man das typische Spreewälder Nationalgericht Quark mit Leinöl und Pellkartoffeln probieren oder rund ums Jahr zu einer Kahnfahrt aufbrechen.

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Bild: Peter Becker
Bild: Peter Becker

«Die Produkte des Spreewaldes haben hier ihren ersten Markt und gehen von hier aus in die ganze Welt.»
(Theodor Fontane)

Bodenständige Kulinarik
Die Spreewälder Küche ist insbesondere bekannt für ihre Bodenständigkeit und die saisonal wechselnden Speisen. Einfache Zutaten aus den Regionen werden zu klassischen Kompositionen vereint. Zahlreiche regionale Produzenten stellen die Produkte direkt vor Ort her. 

Hefeplinsen / Bild: Peter Becker

So wird das gesunde Leinöl in den Spreewälder Mühlen frisch gepresst und die lokalen Brennereien und Brauereien produzieren hochwertige Brände, Liköre und Biere der besonderen Art. Führungen durch die Produktionsstätten oder ein Besuch in einem der kleinen Hofläden ist auf jeden Fall empfehlenswert. Frischer Meerrettich, vollmundig nussiges Leinöl, Mohnpielen und Hefeplinsen nach überlieferter Rezeptur sind nur einige der regionalen Köstlichkeiten, die den Gaumen der Spreewälder und ihrer Gäste verwöhnen. Den regionalen Wurzeln verbunden und zugleich experimentierfreudig, pfiffig und mit individueller Handschrift versehen – so lässt sich die Spreewälder Küche beschreiben, die Appetit und Hunger auf Nachschlag weckt. Ob Spreewälder Plinse in Burg oder Kartoffelspezialitäten in Cottbus, frischer Fisch vom Fischmarkt in Peitz, der Sonntagsbraten in Lübbenau oder feinster Weingenuss in Luckau, der Spreewald serviert leckere Spezialitäten in einmaliger Atmosphäre. Auch die Stadt Cottbus verbirgt einen kulinarischen Schatz. In der Baumkuchenmanufaktur direkt am Lauterbach wird Cottbuser Baumkuchen nach der Originalrezeptur  von Maria Groch gebacken, die das besondere Gebäck im Jahr 1819 erfand. Der Konditor Max Lauterbach setzte die Cottbuser Baumkuchentradition mit Eröffnung seines Cafés mit Konditorei im Jahr 1900 fort, verkaufte Cottbuser Baumkuchen bis New York und wurde „Königlicher Hoflieferant“. An diese Tradition erinnernd, wurde im Jahr 2006 die Cottbuser Baumkuchen Manufaktur gegründet. Wer von der Spremberger Strasse in die Mühlenstrasse geht, kann den Konditoren durch hohe Fenster über die Schulter schauen und miterleben, wie ein neuer Baumkuchen das Licht der Welt erblickt.

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Fazit: Der Winter im Spreewald ist ein echter Geheimtipp für Naturliebhaber und Geniesser. Alles andere als ein überfülltes Rentnerparadies ist er der perfekte Ort zur Entschleunigung. Während der Tourismus runterfährt wird es ganz ruhig auf den Fliessen. Viel Platz für Stille, frische Gedanken und gute Luft in den Lungen.

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