Sie galt einst als gefährlichste Stadt der Welt. Heute liegt in den Saloons der Staub der Wüste und wo sich Halunken und Goldgräber ein Stelldichein gaben suchen Touristen nach ausgefallenen Fotomotiven. Die holprige, staubige Wüstenstrasse, auf der man die letzten Kilometer nach Bodie zurücklegt, passt zu der Stadt, die Ende des 19. Jahrhunderts noch eine der blühenden Goldgräberstädte des Wilden Westens war.

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Der Goldrausch
Bodie liegt auf einer Höhe von 2.554 Metern in den Bodie Hills östlich der Sierra Nevada in Kalifornien, in der Nähe des Yosemite Nationalparks. Wie viele Wüstenstädte im Südwesten der USA hat auch sie ihren Ursprung im Goldrausch: Im Jahre 1859 findet William S. Bodey zirka 20 Meilen nördlich des Mono Lake Gold. Dieser Goldfund bringt ihm jedoch kein Glück. Noch im selben Jahr stirbt er – vermutlich in einem Schneesturm – beim Ritt in die nächste Stadt, um neue Materialien und Lebensmittel zu holen. Seine Familie jedoch gründet an dieser Stelle die Stadt Bodie (man änderte die Schreibweise, um die Ähnlichkeit seines Nachnamens zu dem Wort «Body» – «Leiche» zu vermeiden) und beginnt mit dem Goldabbau. Eine erste Mine, die Standard Mine, wird am 1. Juli 1861 errichtet.

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Einen enormen Anschub für die Stadtentwicklung bringt ironischerweise ein Minenunglück mit sich. Am 1. März 1874 stürzt ein Stollen der Bunker Hill Mine ein – und legt dabei die erste reiche Erz-Mine frei. Ein Boom setzt ein. Durch den Goldrausch werden Glücksritter und wilde Gesellen aus aller Herren Länder magisch angezogen. In nur wenigen Jahren wächst Bodie vom kleinen Minen-Camp auf eine 10.000 Einwohner zählende Goldgräberstadt mit fast 2000 Häusern an. Für kurze Zeit zählt sie sogar zu den zehn grössten Städten Kaliforniens. In dieser Blütezeit gab es entlang der 1,6 Kilometer langen Hauptstrasse 65 Saloons. 15 Bordelle, sieben Brauereien, zahlreiche Spielhallen und ein Chinesenviertel mit Opiumhöhlen sorgten für Unterhaltung jedweder Art. Bodie hatte die Infrastruktur einer Grossstadt, mit zwei Banken, einer Blaskapelle, einem Bahnhof, mehreren Zeitungen, Kirchen verschiedener Religionen, Minenarbeiter- und Handwerkervereinigungen, einem Gefängnis und sogar einem eigenen Opernhaus. Kurz: In Bodie pulsierte das Leben! Und dies zog natürlich Prostituierte, Glücksspieler, Outlaws und andere raubeinige Gesellen an.

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«Goodbye God, I’m going to Bodie!»

Ghosttowns
In den USA gibt es viele Geisterstädte. Die Monokultur beim Abbau von wertvollen Rohstoffen sorgte dafür, dass, sobald das Rohstoffvorkommen erschöpft war, die Bewohner dieser Städte rasch weiterzogen und anderen Orts ihr Glück suchten. Viele der Geisterstädte befinden sich im Westen der USA, allen voran in Kalifornien und in den Bergbaugebieten von Nevada. Weitere sehenswerte Geisterstädte sind:

Calico, Kalifornien
Genoa, Nevada
Elmo, Colorado
Rhyolite, Nevada
Jerome, Arizona
Shaniko, Oregon
Thurmond, West Virginia
Kennecott, Alaska
Nevada City & Virginia City, Montana

Die gefährlichste Stadt der Welt
Pfarrer F. M. Warrington nannte die Stadt «ein Meer der Sünde, von den Stürmen der Wollust und Leidenschaft gepeitscht». Ja, in Bodie waren ausschweifendes Vergnügen, Schiessereien und Überfälle an der Tagesordnung. Nahezu jeder Tag endete mit einer Schiesserei auf der Main Street und die Glocke der Feuerwehr ertönte fast ununterbrochen: Beim Begräbnis eines ermordeten Mannes wurde für jedes Lebensjahr einmal die Glocke geschlagen. Hier war der Westen wirklich wild. «Goodbye God, I’m going to Bodie!» wurde zum geflügelten Wort, denn Bodie galt als eine der gesetzlosesten Städte des Westens. Binnen eines Jahres wurden Gold und Silber im Wert von fast 800.000 US-Dollar gefunden. Der heutige Gesamtwert der aus der Erde geförderten Edelmetalle liegt bei rund 1,2 Milliarden Dollar. Die Goldbarren der dreissig Minen und neun Hüttenwerke wurden – auf dem Landweg und unter starker Bewachung – über Aurora, Wellington und Gardnerville nach Carson City, Nevada transportiert. Von dort gelangten sie entweder zur örtlichen Münzprägeanstalt oder wurden mit dem Zug zur Münzprägeanstalt in San Francisco weiterbefördert. Doch Mitte der 1930er Jahre endete der Boom: Die Goldvorräte der Bodie Hills waren erschöpft. Nach wenigen gewinnbringenden Jahren warf die Mine kaum noch Profit ab, auch weil der Goldpreis stark gefallen war und sich der Betrieb so immer weniger lohnte. Der grosse kalifornische Goldrausch, der 1849 begonnen hatte, war vorüber. Und da Bodie sonst keine Einnahmequellen zu bieten hatte, verliessen immer mehr Einwohner die Stadt, um in den Rockies von Colorado ihr Glück zu suchen. Alles, was nicht mitzunehmen war, verblieb vor Ort. Bereits 1917 wurde die einzige Eisenbahnlinie demontiert und die Schienen verschrottet. Nach einem Grossbrand im Jahre 1932, der zahlreiche Häuser – ausser den wenigen, bis heute verbliebenen Gebäuden – zerstörte, war das Schicksal der Stadt endgültig besiegelt. Die Flammen machten das Geschäftsviertel im Stadtzentrum dem Erdboden gleich. Im Jahr 1942 war die Stadt wie leer gefegt und keine einzige Seele lebte mehr in dem einst so wilden Bodie. Boomtown Bodie wurde zur Ghosttown.

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Staubige Geisterstadt
Dank der geringen Luftfeuchtigkeit blieben viele Gebäude, Gerätschaften und Autos relativ gut erhalten. An manchen Stellen könnte man fast glauben es handele sich um einen Nachbau für einen Western-Film. Viele der Einrichtungsgegenstände stehen noch unverändert da, als hätten die Bewohner den Ort gerade erst verlassen. Teilweise stehen sogar noch Flaschen auf der Theke der Saloons. Auf dem kleinen Friedhof vor der Stadt sind die Grabsteine ehemaliger Bewohner zu sehen. Die goldenen Zeiten sind vorbei, doch mit zirka 150 windschiefen, zum Teil verfallenen Holzhäusern gilt Bodie als eine der besterhaltenen Geisterstädte der USA und ist seit 1962 ein California State Historic Park. Etwa ein Zehntel der alten Stadt ist heute noch zu besichtigen. Dazu gehören die Standard Stamp Mill und das Gebäude der Bergarbeitergewerkschaft, die zu den ältesten kalifornischen Gewerkschaften gehört. In den Läden, Hotels, Wohnhäusern und der verwitterten Holzkirche scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. US-Oldtimer aus den 1920er und 1930er Jahren – alte Fords und Chevys – sind inzwischen vom Zahn der Zeit gezeichnet und mit braunrotem Rost überzogen. Doch ihr morbider Charme begeistert ebenso wie die original erhaltene Shell-Tankstelle und das restaurierte Exemplar des Dodge Graham, Baujahr 1927. Auch das Fehlen jeglicher kommerzieller Gebäude sorgt für eine einzigartige, authentische Atmosphäre. Bodie versetzt seine Besucher zurück in die längst vergangene, glorreiche Goldgräberzeit und lässt den Wilden Westen nochmals auferstehen. Vor gut zwanzig Jahren wurde bekanntgegeben, dass sich das Gebiet des Bodie State Parks auf über 404 Hektar verdoppelt. Die zusätzlichen 210 Hektar sind für die oberirdische Goldgewinnung vorgesehen. Damit wurde rund 120 Jahre nach dem ersten Gold Claim ein weiterer eingetragen. Vielleicht erlebt Bodie ja einen erneuten Goldrausch. Wer weiss…

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