Sie ist attraktiv, anmutig, charmant, schlank, elegant und hat für jeden Passagier stets ein Lächeln parat. Kurz, sie gilt als das Idol der Lüfte: die Flugbegleiterin der Singapore Airlines.
Text: Yvonne Beck
Die Fluggesellschaft aus dem Löwenstaat vermarktet wie keine zweite ihre attraktiven Flugbegleiterinnen. Die «Singapore Girls» haben Kultstatus. Wie einst die Pan-Am-Damen überzeugen sie durch ihre gepflegte Erscheinung und es umgibt sie ein gewisser mondäner Hauch. Sie verkörpern eine Zeit, als Fliegen noch ein komplettes Luxusgut war, und strahlen eine stolze Internationalität aus – diese Damen, die viel Zeit ihres Lebens zwischen den Kontinenten dieser Welt verbringen. Vier von zehn Flugbegleitern bei Singapore Airlines sind männlich. Als Markenbotschafterin gilt jedoch das Singapore Girl. Dieses steht sogar seit 1993 im Londoner Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud, wo sonst Stars wie Angelina Jolie, die Queen oder Freddie Mercury zu sehen sind.

Singapore Girls sind jedoch keine Fantasiewesen, sondern ein Markenzeichen aus Fleisch und Blut, welche die Passagiere der Airline tagtäglich in Augenschein nehmen. Ein sichtbares und erlebbares Markenzeichen – ein ausgeklügelter Marketingschachzug, denn auch in Fernsehspots und auf Anzeigenkampagnen lächeln uns diese Girls an. Die für Singapore Airlines werbenden Stewardessen sind übrigens keine Models, es sind «echte» Stewardessen. Selten lag Werbung und Realität so nah beieinander. Um dem Mythos des Singapore Girls auf die Spur zu kommen, besuchten wir die Stewardessen-Schule von Singapore Airlines, die als härteste weltweit gilt.
Ein Blick hinter die Kulissen
Um es gleich vorwegzunehmen, die Anforderungen, die an Singapurs weltbekannte Stewardessentruppe gestellt werden, sind immens, die Vorschriften streng. Keine andere Fluggesellschaft betreibt bei der Rekrutierung einen ähnlichen Aufwand ihres Personals. 13 Wochen dauert ein Training, bei dem die Rekrutinnen schwierige und harte Tests bestehen müssen. Die Zahl der Bewerbungen übersteigt bei Weitem die Zahl der zu besetzenden Stellen. Bereits vor dem eigentlichen Training gilt es, sich also gegen viel Konkurrenz durchzusetzen. Mehrere Gesprächsrunden sind zu durchlaufen, gefolgt von einem Sozialkompetenz-Check. Grossen Wert wird auf eine freundliche und servicebejahende Grundhaltung gelegt. Ebenso sind Taktgefühl und gute Umgangsformen Pflicht. Alles andere kann gelernt werden, ob Laufen oder Lächeln. Hört sich ein bisschen wie im Modelbusiness an? Nun, gewisse Ähnlichkeiten lassen sich durchaus feststellen. Die gut dreimonatige Ausbildung der staatlichen Luxuslinie Singapurs gilt als hart, aber effizient. In mehr als 160 Kursen lernen die Anwärterinnen alles, was ein Singapore Girl können muss. Vom Schminken über das richtige Gehen bis hin zur Selbstverteidigung, vor allem aber die beste Betreuung des Fluggastes und wie man ihm fast jeden Wunsch von den Augen ablesen kann.

Haarige Angelegenheit
Ein Schwerpunkt des Programms ist das perfekte äussere Erscheinungsbild. Die Schminkvorschriften sind bei Singapore Airlines sehr streng. Insgesamt sind nur zwei Make-up-Stile erlaubt: ein kühlerer Ton (mit blauem Lidschatten) und eine wärmere Variante (mit bräunlichem Lidschatten). Finger- und Fussnägel müssen lackiert sein – auch hier ist die Farbe vorgeschrieben, ebenso beim Lippenstift. Etwa eine Stunde braucht eine gelernte Stewardess zum korrekten Schminken und Frisieren. Jeder Dutt muss richtig sitzen, keine einzige Haarsträhne darf zu weit ins Gesicht hängen, Haarlängen sind exakt geregelt. Alles, was über die Schulter ragt, muss zum Dutt geformt werden. Wobei auch hier nur drei verschiedene Haarknoten erlaubt sind: Chignon, French Twist und French Plait. Auch beim Parfüm sind nur bestimmte Noten zugelassen und nur in ganz zarter Dosierung.
Am Ende der Ausbildung stehen 15 Tage Notfalltraining auf dem Plan: Der Umgang mit angetrunkenen Gästen wird ebenso geprobt wie Notfälle, Wasserlandungen etc. Diese Art von Notfalltraining stellt sicher, dass alle Flugbegleiterinnen in Extremsituationen beherzt und angemessen agieren. Und man ist überrascht, wie resolut die sonst so zart wirkenden Damen werden können. Geschult werden sie an Mock-ups, originalgetreuen Kabinennachbauten der eingesetzten Singapore-Airlines-Maschinen. Der Security-Trainingsraum wird dominiert von einem A380-Rumpf in acht Metern Höhe mit der aufblasbaren Rutsche. Hier üben die Azubis einen beherzten Sprung, nebenan trainiert man im Wellenbad die Prozeduren nach einer Notwasserung. Dieses Sicherheitstraining muss jeder der etwa 6000 Flugbegleiter von Singapore Airlines einmal im Jahr wiederholen.

Perfekter Service an Bord
Natürlich wird auch das Servieren von Speisen und Getränken geprobt. Im sogenannten «wet run» üben die angehenden Girls das Zubereiten und Servieren von echten Speisen. Auf dem Plan stehen dabei auch Details, wie Kaffee richtig einschenken oder Champagnerflaschen korrekt entkorken. Die Nachwuchskräfte werden zudem in das Angebot der verschiedenen Weine und Champagner, die an Bord ausgeschenkt werden, eingeführt. Mit vollen Tabletts werden die Singapore Girls und ihre männlichen Kollegen jedoch erst nach einem absolvierten Jahr in der Economy Class auf die Business-Class-Passagiere losgelassen, denn spätestens hier muss einfach jeder Handgriff sitzen.
Einstellungskriterium
Längst nicht mehr stammen alle Singapore Girls aus Singapur: Die Flugbegleiterinnen sind aus China, Japan, Korea, Malaysia und Indien. Es müssen jedoch asiatische Länder sein. So wird man auch in Zukunft vergeblich nach blonden, rothaarigen oder blauäugigen Singapore Girls suchen. Ursprünglich rekrutierte Singapore Airlines als Flugbegleiterinnen nur junge Frauen aus Singapur oder Malaysia, die Lockerung der Regel stellt sicher, dass unterschiedlichste Sprachkenntnisse beim Servicepersonal vertreten sind. Das Mindestalter für angehende Singapore Girls beträgt 20 Jahre und wird im Regelfall auch nicht deutlich überschritten. Der Fünfjahresvertrag der Stewardessen kann maximal vier Mal um die gleiche Zeit verlängert werden, danach ist noch ein Aufschlag von weiteren drei Jahren möglich, bevor die Karriere als Singapore Girl unweigerlich endet.
Tüpflischiisser-Wissen
Singapore-Airlines-Flugbegleiterinnen tragen keine steifen Uniformen, sondern eine «Sarong Kebaya», ein hautenges Kostümkleid mit elegantem, durch einen Faltensaum verdeckten Schlitz und einem unverwechselbaren Batikmuster, entworfen vom Pariser Modemacher Pierre Balmain. Anhand der Farbe erkennt man den Rang der Stewardess. Blau: Flight Stewardess: Grün: Leading Stewardess; Rot: Chief Stewardess; Lila: Inflight Supervisor. Bei den Männern spiegelt sich der Dienstgrad währenddessen in den Krawatten wider.