Sie gilt als der weibliche Lawrence von Arabien und ungekrönte Königin des Orients. Im Ersten Weltkrieg war sie die bestinformierte britische Agentin im arabischen Raum, Vorkämpferin für die arabische Unabhängigkeit und massgeblich an der Gründung des modernen Irak beteiligt. Ihr Name: Gertrude Bell.

Gertrude Bell zwischen Winston Churchill und T. E. Lawrence bei der Kairo-Konferenz im Jahr 1921. / Bild: Gertrude Bell Archive, Newcastle University

Als Tochter des Stahlmagnaten und liberalen Politikers Thomas Hugh Bell in eine der reichsten britischen Familien geboren, schloss Gertrude Bell 19-jährig in Oxford ihr Studium der Neueren Geschichte ab: mit Bravour, aber ohne Titel – der stand in England bis 1920 Frauen nicht zu. Sie lernte Arabisch, Persisch und Türkisch und begann ab 1892 den Orient zu bereisen. Als Gertrude Bell im Januar 1905 zu einer ihrer Reisen in den Nahen Osten aufbrach, wollte sie dort vor allem byzantinische und römische Ruinen studieren. Wie sich später herausstellen sollte, traf sie damit die Vorbereitungen für ihre spätere Mission als Beraterin der englischen Regierung, bei der es um die Neuaufteilung des Nahen Ostens ging. Mit ihrer Karawane und einigen wenigen einheimischen Bediensteten drang sie in den Wüsten und Bergen Syriens, Palästinas und des Libanon in Gebiete vor, die vor ihr noch kaum ein Europäer, geschweige denn eine Frau, betreten hatte. Selbstbewusst suchte sie den Kontakt zu Scheichs und Stammesführern, unter deren Schutz es ihr gelang, zwischen den rivalisierenden Stämmen hin- und herzureisen. Sie lauschte den Geschichten von Schafhirten, sass mit Soldaten am Lagerfeuer, in den schwarzen Zelten der Beduinen und den Besuchszimmern der Drusen. Sie überschritt geografische und soziale Grenzen, setzte Konventionen ausser Kraft. Gefahren scheute diese Frau nicht, auch nicht in abgelegenen Wüstengegenden Arabiens.

Von 1915 bis 1925 hatte die «Königin der Wüste» als Beraterin von Winston Churchill eine Schlüsselrolle in der Neuordnung des gesamten Nahen Ostens inne. Doch nicht nur der Politik galt ihre Liebe, auch der Archäologie: Sie etablierte das Archäologische Museum in Bagdad. 1926, mit 58 Jahren, starb Bell in Bagdad.