Er prägt seit Jahrtausenden das Antlitz der grössten Insel im Mittelmeer. Der Ätna ist für Sizilien jedoch nicht nur weithin sichtbares Wahrzeichen, sondern auch Schicksalsberg, Zerstörer und Lebensspender.

Text: Yvonne Beck

«Kommt im Februar nach Sizilien, und wenn die Realität nicht meinen Bildern entspricht, werde ich euch die Reisekosten ersetzen.» So forderte der Berliner Landschaftsmaler Otto von Geleng 1863 die Pariser Kunstkritiker heraus, die nicht glauben konnten, dass es Orte gibt, wo im Februar vor den Ruinen eines antiken Theaters und unter verschneiten Gipfeln eines aktiven Vulkans die Mandelbäume blühen.

Ach, bella Italia
Der Künstler gewann die Wette, und fortan wurde Taormina als «Zipfel des Paradieses» bekannt. Es zog Künstler und die modäne Welt in seinen Bann. Sie erklärten das kleine Dorf zu ihrem winterlichen Treffpunkt. Bereits 1874 wurde das erste Hotel, das Hotel «Timeo», unterhalb des griechischen Theaters eröffnet. In ihm residierten Industrielle wie Krupp, Rothschild und Vanderbilt, Literaten wie D. H: Lawrence, Musiker, Regisseure Dandys und Bohemiens. Man flanierte unter seinesgleichen durch den Ort und genoss die Wärme der Sonne Siziliens. Das mondäne Flair ist inzwischen verflogen. Mit über einer Million Übernachtungen im Jahr ist Taormina die Touristenhochburg Siziliens. Auf der Parademeile von Taormina, dem Corso Umberto, drängen sich in den Sommermonaten Scharen von Touristen auf der Suche nach Souvenirs und guten Fotomotiven – beides gibt es in grosser Zahl. Und natürlich viele Cafés und Restaurants, um das bunte Treiben auf sich wirken zu lassen und die Köstlichkeiten des Landes zu probieren.

Spender neuen Lebens
Sizilien ist ein Land der Gegensätze. Gelegen zwischen Europa und Afrika ist besonders die Küche eine Symbiose verschiedener Esskulturen. Die Insel im Herzen des Mittelmeeres ist es gewöhnt, jahrhundertealte Rezepte immer wieder neu zu interpretieren. Griechen, Römer, Araber und Spanier haben ihre Spuren hinterlassen. Entsprechend fantasievoll werden Obst und Gemüse zubereitet, die dank des milden Klimas hier im Überfluss wachsen.

Das feurige Temperament des Ätna prägt die Insel seit Jahrtausenden. Zerstörerische Macht, aber auch fruchtbarer Lebensspender. Gerade seine Asche düngt den Boden und macht das Land so fruchtbar. In der Vulkanerde gedeihen Obst und die berühmten Ätna-Weine besonders gut. Die Einheimischen nennen den Vulkan daher ehrfurchtsvoll «La Mama». Der Ätna ist Europas aktivster Vulkan. Er schläft nie. Zwischen zehn und zwanzig grössere Ausbrüche werden pro Jahrhundert beobachtet. Kleinere Eruptionen gibt es weitaus häufiger. Da er jedoch auch der weltweit am besten überwachte Vulkan ist, kann man den Ätna ungefährdet besteigen. Ein Naturerlebnis der besonderen Art, vor allem wenn das Wetter einigermassen mitspielt. Von oben hat man einen prächtigen Ausblick auf die üppigen Plantagen und Gärten, welche die Hänge und Ebenen bedecken. So grün und lieblich ist Sizilien – dem Ätna sei Dank!

Ein Festival der Sinne
Bunt geht es auch auf den Märkten Siziliens zu. Scheinbar endlos reihen sich die Stände aneinander. Hier finden die Bewohner alles, was sie zum Leben brauchen. Fisch-, Obst- und Gemüse-Märkte sagen viel über ein Land aus. An der Auswahl auf einem sizilianischen Markt kann man die vielen fremden Einflüsse ablesen, aber vor allem spiegelt sie die sizilianische Lebensauffassung wider. Farbe und Kontrast, wohin das Auge schaut. Siziliens Küche ist eine Küche der Vielfalt. Jede Familie hat ihre eigenen Rezepte. Und jeder Koch, jede Köchin ist fest davon überzeugt, dass seine oder ihre Variante die beste ist. Das Essen und seine Zubereitung sind deshalb Thema hitziger Diskussionen. Was sind die richtigen Zutaten? Wie wird das jeweilige Rezept optimal umgesetzt? Auf welchem Markt kauft man die besten Produkte? Wenngleich geografisch nur eine Insel, ist Sizilien kulinarisch eher ein ganzer Kontinent. Das bekam auch Sternekoch Christian Lohse zu spüren, als er für die Koch-Serie «Kitchen Impossible» im Belmond Grand Hotel «Timeo» in Taormina die «Gnocchi di melanzane al pomodoro» des Chefs Roberto Toro nachkochen sollte. Das Gericht klingt zwar sehr simpel, doch der Anspruch steckt wie so oft im Detail. Der Starkoch konnte beim Probieren des Gerichtes einfach nicht herausfinden, aus was die Gnocchi hergestellt wurden. Küchenchef Roberto Toro stellt die Gnocchi, um sie leichter zu machen, aus Aubergine her. Und dies ist nur einer seiner raffinierten Kniffe, mit dem er den Gaumen der Gäste verwöhnt. Er bringt mit seiner sizilianischen Küche die wechselvolle Geschichte der Insel auf den Tisch und huldigt den Gaben der sizilianischen Natur.

Also auf nach Sizilien, den Duft der Zitronenblüte schnuppern und über die Märkte streifen, um die ungewöhnlichen Zutaten und Rezepte im Schatten des Vulkans zu entdecken.