«Inseln des grünen Kaps», so werden die Inseln genannt, die wie eine zerrissene Halskette vor der Küste Westafrikas im Atlantik liegen und eine eigene Kolonie bilden. Jede Insel eine Welt für sich – die eine zeigt sich mit wuchernder Vegetation tropisch grün, die andere mit Steinwüsten schroff und abweisend. Was sie eint, sind die zum Wandern einladenden Vulkanlandschaften und die schönen Atlantikstrände. «Das Beste aber sind die Menschen, die sich ihre Lebensfreude nicht von der Armut trüben lassen», sagt Andreas Schäfer. «Mitten im Atlantik haben sie unter dem Einfluss dreier Kontinente eine farbenfrohe und lebendige Kultur entwickelt», erzählt der 47-jährige Basler, der seit vielen Jahren auf den Kapverden lebt und im Tourismusgeschäft tätig ist.

Text: Detlef Berg / Fotos: shutterstock & Detlef Berg

Improvisation ist alles
Grosse Aufregung im kleinen Hafen Sao Filipe – was ist passiert? Eine Fähre, die regelmässig die Insel Fogo ansteuert, hat viel zu früh im Hafen festgemacht und blockiert die Einfahrt der Motoryacht «MY Harmony G». Reiseleiter Andreas Schäfer beruhigt die 35 Touristen, die auf ihren Landgang warten. «Die Fähre müsste eigentlich auf Reede ankern, damit wir wie geplant am Kai anlegen können», sagt Schäfer und ist sich sicher, dass der Hafenmeister das Problem lösen wird. Doch der Kapitän der Fähre hat sein Schiff verlassen, ist nicht auffindbar und trinkt wahrscheinlich irgendwo in aller Seelenruhe einen Kaffee. «So ist das eben hier, die Uhren gehen einfach anders», sagt Schäfer. Improvisation ist gefragt: Zwei Zodiacs werden zu Wasser gelassen und bringen die Gäste nach und nach an Land. Dem Tagesausflug steht jetzt nichts mehr im Wege.

Der feuerspuckende Berg
Hauptattraktion Fogos ist der Vulkan Pico, der sich stolze 2.829 Meter aus dem Meer erhebt. Die Kleinbusse quälen sich in engen Kurven hinauf zur «Caldera», dem alten Kraterkessel. Nach einer Spitzkehre taucht überraschend der imposante Vulkankegel auf. Zeit für ein Selfie zusammen mit dem Eingangsschild des Nationalparks und dem schwarz-braunen Gipfel im Hintergrund. An dieser Stelle endet auch der Asphalt, weiter geht es auf einer gepflasterten Piste und kurz danach rumpelt der Bus über die zu bizarren Formen erstarrten Lavaströme. Diese Landschaft rund um den «Feuer-Gipfel» gleicht einem aufgeschlagenen Lehrbuch der Geologie. Kaum zu glauben, dass hier noch Menschen wohnen.

2014 hat der Pico zuletzt Feuer und Asche gespuckt. Mehr noch – die glühende Lava verschluckte grosse Teile des Hochplateaus und begrub auch die beiden Dörfer Portela und Bangaeira. Zum Glück waren keine Menschenleben zu beklagen. Kaum war die Lava erkaltet, begannen die Bewohner mit dem mühsamen Wiederaufbau. Sie hoffen auf zahlende Wanderer, die den Aufstieg zum Krater wagen. Am Gipfel des hohen Vulkans zu stehen und auf die Weite des Ozeans hinauszublicken, bleibt sicher ein unvergessliches Erlebnis. Dafür ist diesmal keine Zeit – doch auch der Besuch der «Caldera» vermittelt einen anschaulichen Eindruck für die Ohnmacht der Menschen gegenüber diesen Naturgewalten. «Mit Sao Filipe, der Inselhauptstadt, haben wir heute noch einen weiteren Höhepunkt im Programm», sagt Schäfer. Er verspricht nicht zu viel – vor allem in der Oberstadt finden sich zahlreiche alte Herrenhäuser. Darunter ist mit der Casa da Memoria (Haus der Erinnerung) auch ein kleines Privatmuseum. Im kostenlos zugänglichen Haus sammelt die Schweizerin Monique Widmer Möbel, Alltagsgegenstände und Fotos – nicht nur für Touristen, auch für die Inselbevölkerung, wie sie sagt: «Ich möchte auch bei den Einheimischen das Interesse für die eigene Vergangenheit wecken.»

Düstere Vergangenheit
Auf Fogos Nachbarinsel Santiago gibt es einen Ort, wo sich die Historie der Kapverden zu einem bewohnten Monument verdichtet, das die Unesco in den Rang eines Weltkulturerbes der Menschheit erhoben hat. In Cidade Velha, heute ein kleines Dorf, begann einst die Besiedlung der Kapverden. Einige der ältesten Bauten haben sich erhalten. Leicht zu übersehen, aber von zentraler Bedeutung ist eine Steinsäule auf dem kleinen Hauptplatz. Der Pelourinho ist stummer Zeuge aus der Zeit, als der Ort Hauptumschlagplatz für Sklaven war. Die Schiffe mit ihrer menschlichen Fracht gingen nach Lissabon, in die Karibik und mit dem Nordostpassat bis nach Brasilien. Wer sich widersetzte, wurde am steinernen Pranger ausgepeitscht. Heute sitzen Frauen auf dem Platz, schwatzen miteinander, flechten Kindern Zöpfe. Aus einer Imbissbude dröhnt Musik, doch man hört auch, wie die Wellen des Atlantiks am schwarzen Lavastrand auslaufen. Dort liegen ein paar bunt gestrichene Boote, Fischer flicken Netze und fussballbegeisterte Kinder kicken mit einem Gummiball.

Durch die Rua Banana mit einfachen Kolonialhäusern gelangt man zur Kirche Nossa Senhora do Rosario. Seit mehr als 500 Jahren steht sie dort. Sie gilt als älteste Kirche südlich der Sahara. Schon die Seefahrer Vasco da Gama und Christopher Kolumbus waren hier zu Gast, und von Sir Francis Drake ist überliefert, dass er 1585 den Altarschmuck raubte. Das galt als Unrecht, nicht aber die Sklaverei. Voller Eindrücke und nachdenklich gestimmt kehren die Touristen am Abend zurück auf die «MY Harmony G».

Bordleben
Wie nach jedem Ausflug wartet die Crew mit kühlen Drinks auf die Passagiere. Bis zum Abendessen im Salon bleibt noch genügend Zeit, sich in den Kabinen frisch zu machen. Im Restaurant wird in einer Sitzung gegessen. Durch die freie Platzwahl lernen sich die Gäste schnell kennen. Sie kommen aus ganz Deutschland, aber auch einige Österreicher und auffallend viele Schweizer sind an Bord. «Wir wollten schon lange auf die Kapverden reisen, konnten uns aber nicht so recht entscheiden, welche der Inseln wir besuchen sollen», sagt ein Ärzte-Ehepaar aus Frankfurt. «Eine Kreuzfahrt aber bietet die Möglichkeit, mehrere Inseln kennenzulernen», begründen sie ihre Entscheidung. «An Bord eines Schiffes schlafen Sie, wenn Sie reisen», sagt auch Andreas Schäfer. «Sie können zwar auch das Flugzeug oder die Fähre nehmen, benötigen dafür aber viel Zeit, und manchmal entfallen die Verbindungen ganz und alle Planungen werden dadurch über den Haufen geworfen», berichtet er aus eigener Erfahrung.

Ausgangspunkt der achttägigen Rundreise ist die Hauptstadt Praia auf Santiago, der grössten der Kapverdischen Inseln. 68 Seemeilen lang ist die erste Seepassage bis zur Vulkaninsel Fogo. Brava, die kleine Schwester Fogos, liegt in Sichtweite, ist nur mit dem Schiff zu erreichen und deshalb noch sehr ursprünglich. Eine Wanderung zeigt, wie erstaunlich grün diese Insel ist. Schäfer weiss den Grund: «Brava liegt im Windschatten von Fogo. Deshalb bilden sich hier Wolkenschichten, und der Tau verdunstet nicht, sondern kommt der Vegetation zugute. Und die bedankt sich mit üppigem Grün und faszinierender Blütenpracht, weshalb Brava auch als Blumeninsel bezeichnet wird.» Von seiner ungemütlichen Seite zeigt sich der Atlantik bei der Überfahrt zu den Nordinseln. Ein heftiger Sturm wühlt die See auf und lässt das Schiff auf seinen Wellen munter tanzen. Doch mit einem Pflaster hinterm Ohr oder einer beruhigenden Pille überstehen alle diese Überfahrt nach San Nicolau, Sao Vicente und Santo Antao ohne Problem.

Karibische Rhythmen
«Musik ist wie das Geschichtsbuch der Kapverden. In Mindelo schlagen wir eine Seite davon auf und besuchen das Museum von Cesaria Evora», sagt Schäfer. Die weltberühmte Sängerin ist die Königin der Morna-Musik, einer Mischung aus portugiesischem Fado, brasilianischem Samba und westafrikanischen Rhythmen. Wehmütig, weich und melodisch erzählen die Lieder von Verlangen, Sehnsucht und Heimweh. Viele Kapverdier müssen im Ausland den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen, und als am letzten Abend in einer Bar auf der Strandinsel Sal ein Lied erklingt, verstehen die Reisenden – im Herzen verlässt ein Kapverdier sein Land niemals.