Japan ist ein Paradies für Feinschmecker: Die Küche ist vielfältig und vor allem hochwertig. Allen voran in der Hauptstadt Tokios. Keine Stadt der Welt verfügt über mehr Michelin-Sterne als die japanische Metropole.
Die japanische Küche zeichnet sich durch Fisch und wenig Fett aus. Der Grund dafür liegt in der Vergangenheit des traditionsreichen Landes. Mehr als tausend Jahre war es den Einwohnern Japans verboten, Fleisch zu essen und Tiere zu schlachten. Fisch und Meeresfrüchte waren die Ausnahme. Über die vielen Jahre entwickelten sich sowohl die Rezepte als auch der Geschmack der Japaner in eine fettarme Richtung. So wundert es nicht, dass die japanische Küche zu den gesündesten überhaupt zählt. Traditionell verwendet man im Reich der aufgehenden Sonne wenig Öl oder Gewürze, stattdessen wird auf den Eigengeschmack der jeweiligen Produkte gesetzt. Im Inselstaat isst man sehr viel Fisch, Meeresfrüchte und Meerespflanzen, zum Beispiel Seegurken oder Algen.
Roher Fisch mit Meerrettich
Auch bei Sushi und Sashimi spielen Fisch und Meeresfrüchte die Hauptrolle. Es existieren Hunderte von Sushi-Varianten, vom traditionellen «narezushi» (gesalzener, fermentierter Fisch zwischen Reisschichten, der erst nach sechs Monaten Reifezeit verzehrt wird) bis zur modernen «California Roll» (mit Avocado und Surimi). Beliebte Würzzutaten für beide sind Sojasauce, «wasabi» (grüner Meerrettich) und «gari» (eingelegter Ingwer). Traditionell sollen sich der Wasabi und die Sojasauce zwar erst im Mund vermischen, aber selbst in Japan werden sie gerne zu einem feurigen Dip verrührt. Nicht nur als Würze ist «wasbi» die ideale Ergänzung für Sushi und Sashimi, die enthaltenen Senföle sollen auch Mikroben und Bakterien im rohen Fisch abtöten. Die auf den japanischen Inseln heimische Pflanze wird heute meist auf Plantagen angebaut. Aufgrund der hohen Nachfrage importiert Japan «wasabi» aus China, Taiwan und sogar Neuseeland. Obwohl für die westliche Welt Sushi der Inbegriff der japanischen Küche ist, zählt dieses Gericht in seiner Heimat nicht zur alltäglichen Küche, sondern wird eher zu besonderen Anlässen serviert.
Ausnahme in der eigentlich fleischarmen japanischen Küche bildet das Wagyu-Rindfleisch. Dieses zarte, hoch aromatische Fleisch bestimmter Rinderrassen hat einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, daher die typische Marmorierung. Mehrere Regionen des Landes sind berühmt für ihre Wagyu-Rinder, darunter Kobe in der Präfektur Hyogo. Damit das Fleisch die Bezeichnung «Kobe» tragen darf, müssen die Rinder in traditioneller Weise aufgezogen, mit Getreide und Bier gefüttert und obendrein regelmässig gebürstet und massiert werden. Eine schmackhafte Zubereitungsmethode für Wagyu-Rindfleisch ist «sukiyaki» oder «shabu shabu»: Fein geschnittenes Rindfleisch und Gemüse werden bei Tisch in Brühe gegart und mit Dipsauce verzehrt.
Riskanter Leckerbissen
Eine weitere japanische Spezialität, der Kugelfisch «fugu», ist hochgiftig, wenn er nicht richtig zubereitet wird. Deshalb müssen «fugu»-Köche eine staatliche Lizenz haben. Es komme auf die Jahreszeit und den jeweiligen Fugu an, wie viel von dem Gift er enthält und in welchen Teilen es sich befindet. Das Frischfleisch wird entweder roh als Sashimi gereicht, mit Gemüse gegart oder an Salat gegeben. Die Konsistenz des Fisches ist angenehm fest im Mund. Besonders gefragt sind «Tora Fugu»: Sie sind grösser als die anderen und der Geschmack ist unaufdringlich, eher fleischig als fischig. Fugu ist eine der teuersten Delikatessen, die man im ohnehin teuren Japan essen kann.
Unbedenklicher lässt sich Osakas liebster Strassensnack verköstigen. «Takoyaki» verdankt seine Beliebtheit den Zeiten der Nahrungsmittelknappheit nach dem verehrenden Erdbeben von 1923 und nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals griff man zu Teiggerichten, weil sie sättigend und billig waren. Als der Wiederaufschwung kam, hatte sich die Vorliebe für Teighappen in Osakas Bevölkerung fest etabliert. Perfekte «takoyaki» haben eine knusprige Kruste, während die Mischung aus Teig, Oktopusstücken, eigelegtem Ingwer und Kohl im Inneren weich bleibt. Nicht zu vergessen die grosszügige Garnitur mit «katsuoshi» (Fischflocken), getrockneten Algen und pikanter Grillsauce. Der Kult geht so weit, dass dem Snack sogar das «Osaka Takoyaki Museum» gewidmet wurde. Hier erhält man Einblick in die Geschichte des «takoyaki» und Kostproben von beliebten «takoyaki»-Imbissen der Stadt.
Kneipen-Food
Die drei Schriftzeichen für «izakaya» bedeuten «Laden», «Alkohol» und «Raum». In den typischen Izakayas, die eine grosse Auswahl an Bier, Sake und «sochu» (Spirituosen) servieren, geht es genauso lebhaft zu wie in westlichen Bars und Kneipen. Allerdings essen Japaner gerne etwas zum Alkohol, deshalb tischen die Izakayas teils ausgezeichnete Speisen auf. Die Gerichte werden oft mit spanischen Tapas verglichen, wobei die Portionen etwas grösser sind. Ausser essigsaurem «daikon»-Salat und Sushi stehen auf den Speisekarten auch «Kakiage» (Krapfen) oder «Ganmodoki» (frittierte Tofufrikadellen). Eine der ältesten Izakayas ist das altehrwürdige «Katakura» in Tokio, das seit 1848 am selben Standort residiert. Hier kredenzt der Besitzer zartcremigen Tofu und Algentrauben in süssem Obstessig. Für Touristen sind Izakayas die beste Möglichkeit, um mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. Sprachbarrieren gibt es hier keine: ob «gyoza» (gefüllte Nudeltaschen aus der Pfanne) oder «Karaage» (japanische Backhähnchen) – man braucht nur auf die bebilderte Speisekarte zu deuten.
«Es heisst, es gibt immer zu essen, solange die Erde besteht.»
Meisterwerke aus frischen Zutaten
Der raffinierte japanische Gaumenkitzel «kaiseki», der einst von japanischen Zen-Mönchen erfunden wurde, war ausserhalb des Landes bis vor kurzem kaum bekannt. Im Mittelalter assen buddhistische Mönche die bescheidene Mahlzeit zur Tee-Zeremonie. Doch im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich daraus ein 14-gängiges Festmenü mit jahreszeitlich wechselnden Gerichten. Bis heute ist dieser Genuss im Ausland kaum erhältlich, da es die frischen Zutaten dafür nur auf den japanischen Inseln gibt. Die meisten Gänge bestehen aus Gemüse oder Fisch; einige fortschrittlichere Köche verwenden heute auch Fleisch. Jedes Gericht ist ein kleines Kunstwerk für sich und fast zu schade zum Aufessen, doch den unglaublichen und oft ungewöhnlichen Aromen und Konsistenzen kann man nicht widerstehen. Es gibt Hunderte verschiedene «kaiseki»-Speisefolgen. Sie bestehen aus diversen Appetithäppchen, Sashimi, gekochten, gegrillten und gedämpften Gerichten; das hängt ganz vom Koch ab. Spitzenrestaurants in ganz Japan bieten diese Spezialitäten an, aber die allerbesten «kaiseki»-Restaurants finden sich in Kyoto. Hier verwöhnen elegante Etablissements ihre Gäste mit erlesenen Esserlebnissen: Die Bedienungen im Seidenkimono, die die exquisit arrangierten Speisen in Tatami-Speiseräumen servieren, erinnern an Geishas.
Saisonale Zutaten sind das Geheimnis guter japanischer Küche. Eine der schönsten Gaumenfreuden mit dem zarten Aroma von reifem Gemüse ist «shojin ryori». Das ist die traditionelle vegetarische Küche der buddhistischen Tempel, bei der allerlei aufwendige Gerichte aus Gemüse, Tofu, Bohnen und Früchten in mehreren Gängen gereicht werden. Der Verzicht auf Fleisch gehört zu den wichtigsten Grundsätzen des Buddhismus. «Shojin ryori» ist nicht nur ein gastronomisches, sondern auch ein kulturelles Erlebnis: Die Mahlzeit wird in traditioneller Umgebung eingenommen, etwa in einem «tatami»-Raum. Wichtig ist nicht nur die Verwendung von Zutaten der Saison; die «shojin-ryori-Köche» legen auch grossen Wert darauf, nichts zu verschwenden. Selbst das Grünzeug und die Schälreste von Gemüse, wie etwa Möhren, werden gedünstet oder an Suppen gegeben. «Shojin ryori» wird in vielen Restaurants in der Nähe von Zen-Tempeln serviert.
Nicht Wein, nicht Bier
Japans berühmtes Nationalgetränk ist eine Klasse für sich. Seit Jahrtausenden perfektionieren, verfeinern und geniessen die Japaner ihren Sake. Inzwischen hat auch der Rest der Welt diese einzigartige Reisspirituose entdeckt. In den über 16 Sake-Brauereien des Landes können Besucher die verschiedenen Sorten verkosten und erfahren, wie Wasser und Reis in Japans Lieblingsgetränk verwandelt werden. Obwohl als Reiswein bezeichnet, wird er wie Bier gebraut. Für einen guten Sake ist der verwendete Reis ganz entscheidend. Die Brauereien verarbeiten speziellen Sake-Reis mit hohem Stärkeanteil. Zunächst werden die Reiskörner bis auf den Kern poliert. Die Reiskerne werden gewaschen, eingeweicht und gedämpft. Dann kommen «kofi»-Schimmel und Hefe hinzu. Schliesslich muss der Sake noch etwa sechs Monate reifen.
Von Tokio oder Osaka kann man Tagesausflüge zu den Brauereien unternehmen. Die 1881 gegründete Ishikawa-Brauerei in Fussa, im Westen der Präfektur Tokio, verströmt den traditionellen Charme einer japanischen Tempelanlage, und in Kobe, bei Osaka, liegt die Hakutsuru-Brauerei, die auf das Jahr 1743 zurückgeht. Heute serviert man Sake gern gekühlt. Traditionell wurde er dagegen warm getrunken, weil sich das Aroma dann besser entfaltet. Die Wärme intensivierte sowohl den Geschmack als auch die berauschende Wirkung des Sake. Im Gegensatz zum Wein wird Sake mit dem Alter nicht veredelt. Daher sollten Flaschen innerhalb eines Jahres ab Herstellungsdatum gekauft und innerhalb von sechs bis zwölf Monaten getrunken werden. Praktischerweise passt Sake gut zu Fisch und Meeresfrüchten. Wie beim Wein wählt man passend zum jeweiligen Gericht unterschiedliche Sakesorten. Doch es gibt noch mehr als Sake: Im Laufe der Jahre haben die Japaner einen anspruchsvollen Gaumen für Single-Malt-Whiskey entwickelt und ihre Brennereien erzeugen Sorten für jeden Geschmack. Man sollte durchaus mal den Wein zum Abendessen weglassen und sich einen japanischen Whiskey genehmigen. Er bringt die Aromen japanischer Spezialitäten wie Sushi besonders gut zur Geltung, aber auch andere Fischgerichte und Käse vertragen sich gut mit den japanischen Single-Malts.
Rezeptsammlung
Ob Sushi, Ramen oder Snacks im Izakaya-Style – japanische Gerichte sind gesund, lecker und im Trend. Mit dem japanischen Kochbuch von Aya Nishimura zaubert man im Handumdrehen fernöstliche Aromen auf den Teller – schnell und einfach. Alle japanischen Rezepte lassen sich mit wenigen Grundzutaten aus dem Supermarkt oder Asialaden (wie Sojasauce, Misopasten, Sake, Dashibrühe oder Mirin) ganz leicht nachkochen und schmecken genauso authentisch und köstlich wie in Tokio, Kyoto & Co.
Authentisch japanisch
100 Rezepte aus der japanischen Familienküche
Aya Nishimura
Dorling Kindersley Verlag