Eine Reise durch die Alpen
Die Verbesserungen im Strassenwesen, die Dampfschifffahrt und der Aufbau eines Eisenbahnnetzes bildeten die Voraussetzungen dafür, dass sich im 19. Jahrhundert eine frühe Tourismusindustrie entwickeln konnte. Einer, der es verstanden hatte, diese neuen Möglichkeiten für seine Zwecke zu nutzen, war der Engländer Thomas Cook. Seine «First Conducted Tour of Switzerland» von 1863 markiert den Anfang des organisierten Tourismus in der Schweiz.

«Alles wird von den Umständen abhängen, von der Anzahl Teilnehmer, die sich entschliessen, zusammen zu reisen, von der Art des Transportes und von anderen Faktoren, die jetzt nicht vorhergesehen werden können.» (Thomas Cook)
Im Sommer 1863 startete eine viktorianische Reisegruppe im englischen Yorkshire zur ersten geführten Tour durch die Schweizer Alpen. Mit Dampfschiff und Eisenbahn gelangten die ungleichen Mitglieder des «Junior United Alpine Club» in die westlichen Alpen, wo sie mit Maultieren, Postkutschen und zu Fuss von Chamonix übers Wallis bis ins Berner Oberland vordrangen. Eine Teilnehmerin dieser Reise, Miss Jemima Morrell, hat über ihre Erlebnisse während ihrer Reise durch die Schweiz Tagebuch geführt und so ermöglicht, noch heute auf ihren Fussspuren zu reisen. Sie schildert mit scharfer und ironischer Aufmerksamkeit das Land und seine Bewohner, die Sehenswürdigkeiten und dessen Eigenarten.
Jemima Morrells Bericht führte nicht nur die Verkehrsmittel, die auf den verschiedenen Etappen zur Verfügung standen, sowie die Hotels, in denen die Gruppe übernachtete, genauestens auf, sondern auch die Betreiber dieser Angebote, wobei kein aufsässiger Gepäckträger und kein schlechter Wirt vor ihrer spitzen Feder sicher waren. Der Bericht stellt eine Momentaufnahme der Tourismusinfrastruktur im Sommer 1863 dar.

«Wir haben die Absicht, eine Gruppe nach Genf, Luzern und in die anderen wichtigsten Orte der Alpenregionen und der Seen zu begleiten. … Im Falle, dass uns Freunde in der letzten Juniwoche nach Paris und in die Schweiz begleiten möchten, sollen sie es uns wissen lassen. … Für diese Tour wird keine Werbung veranstaltet, doch möchten wir ungefähr 25 Personen in die Schweiz und weitere nach Paris führen.» (Thomas Cook)
Die 31-jährige Jemima Morrell, Tochter eines englischen Pastors, war eine Vertreterin der britisch-viktorianischen Gesellschaftsschicht, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts das Reisen leisten konnte und diese Möglichkeit auch wahrnahm: die Schicht der zu neuem Wohlstand gelangten Mitglieder des kleinen Landadels, der Repräsentanten der Freiberufe (Professoren, Ingenieure, Fabrikanten, Künstlerinnen) und des Handels, die aus kulturellem Fleiss oder einfach zum Vergnügen reisten. Die Gruppe erlebte die Kämpfe um das Engagieren in den aufstrebenden Destinationen wie Chamonix oder an der Rigi, sie liess sich als Pioniergruppe von Thomas Cook durch das Land geleiten, das bis anhin nur den Alpinisten offenzustehen schien.
Die Reise von 1863 war die erste organisierte Gruppenreise auf einer Route, die später im Angebot von Thomas Cook einen festen Platz erhalten sollte. Mit heutigen Pauschalreisen hatte die Unternehmung wenig zu tun.
