«AUS DER ASCHE STEIGT ER EMPOR UND ERSTRAHLT IN NEUEM GLANZE – DER PHOENIX!»

Zebras im Madikwe-Wildschutzgebiet / Bild: shutterstock
Zebras im Madikwe-Wildschutzgebiet / Bild: shutterstock

Südafrikas viertgrösster Park hoch im Norden an der Grenze von Botsuana ist eins der bestbehüteten Geheimnisse Südafrikas.

Text: Yvonne Beck

Das Madikwe-Wildschutzgebiet erstreckt sich über 75.000 Hektar Land und kann nicht nur mit den Big Five, sondern sogar den Magnificent Seven (Big Five plus Wilde Hunde und Geparden) aufwarten. Kaum zu glauben, dass man hier vor knapp 40 Jahren weder Giraffen noch Büffel angetroffen hat. Heute lebt in der faszinierenden Landschaft aus rotem Sand und Akazienbüschen hingegen alles, was das Safariherz höherschlagen lässt: grosse Löwenrudel und eine wachsende Population der vom Aussterben bedrohten Wildhunde – ganz zu schweigen von den über 350 verschiedenen Vogelarten. Unter dem Codenamen «Operation Phoenix» fand eines der grössten Wildlife-Umsiedlungs- und Renaturierungsprojekte der Welt statt. Wir trafen Reserve Manager Moremi Keabetswe in der Buffalo Ridge Lodge und sprachen mit ihm über die Geschichte der Operation, das sensible Gleichgewicht des Reservats und nachhaltigen Tourismus.

Herr Keabetswe, wer vor circa 40 Jahren in dieses Gebiet gekommen wäre, hätte wahrscheinlich keinen der «Big Five» erspäht. Was hätten Besucher angetroffen?
Viel Landwirtschaft und Viehzucht. Weiden mit Rindern, Ziegen und Schafen, aber weit und breit keine Elefanten oder Löwen. Ja, ursprünglich war hier alles Land Farm- und Ackerland, das erst wieder in einen Wildpark verwandelt wurde.

Aus Farmland wurde ein Tierparadies / Bild: shutterstock
Aus Farmland wurde ein Tierparadies / Bild: shutterstock

Wann wurde mit der «Operation Phoenix» begonnen und wie genau ging diese vonstatten?
Gegen Ende der 80er-Jahre begann man langsam mit der Renaturierung des Landes: entfernte Kulturpflanzen, riss die Weidezäune und die meist verlassenen Farmhäuser ab. Das Land war schon lange nicht mehr wirtschaftlich und die Bevölkerung verarmt. 1993 begann man, im Zuge der «Operation Phoenix» mehr als 8000 Tiere im Park anzusiedeln. Zuvor wurde um das etwa 75.000 Hektar grosse Land ein etwa 150 Kilometer langer Wildzaun errichtet. 1996 wurden schliesslich auch Raubtiere in Madikwe eingeführt, zunächst Geparde, Wildhunde und Hyänen, später auch Löwen.

Besonders die Löwen fühlen sich hier sehr wohl / Bild: shutterstock
Besonders die Löwen fühlen sich hier sehr wohl / Bild: shutterstock

Woher kamen die Tiere?
Die Löwen aus dem Etosha-Nationalpark (Namibia) sowie dem benachbarten Pilanesberg-Nationalpark. Zudem kamen 180 Elefanten aus dem von einer Dürre betroffenen Gonarezhou Game Reserve in Zimbabwe zu uns. Die Umsiedlung der Dickhäuter verlief sehr erfolgreich, und die Elefantenpopulation in Madikwe ist auf stattliche 250 Tiere angewachsen.

Sie wollten das Land «zurückführen» in den Zustand, bevor es bestellt und in Farmland verwandelt wurde. Woher wussten Sie, wie es aussah?
Die Madikwe-Region ist geschichtsträchtig und steckt voller Tradition. Die berühmte Mafikeng Road verläuft zum Beispiel durch das Reservat. Entdecker, Händler, Jäger und Missionare passierten diesen Weg. Durch ihre Aufzeichnungen wissen wir, wie es früher hier aussah. Besonders die Bücher und Aufzeichnungen des Lehrers Herman Charles Bosman waren uns eine grosse Hilfe. Viele seiner Erzählungen sind in dieser Gegend angesiedelt. Er schrieb über Löwen, Leoparden und andere Tiere. Wir glauben, dass heute im Reservat nur Tiere leben, die hier vor vielen, vielen Jahren auch wirklich bereits gelebt haben. Wir haben diese Tiere also nicht neu-, sondern wiederangesiedelt. Ein Vorhaben in dieser Grössenordnung hat es bis dahin noch nicht gegeben.

Und wie viele Tiere leben heute im Reservat?
Mehr als 12.000 Tiere. Sämtliche Grosswildarten sind vertreten, einschliesslich Breit- und Spitzmaulnashörner, Büffel, Giraffen, Zebras und eine Vielzahl von Antilopen. Ausserdem konnten über 350 Vogelarten registriert werden.

Mehr als Mehr als 12.000 Tiere leben heute im Reservat / Bild: shutterstock
Mehr als Mehr als 12.000 Tiere leben heute im Reservat / Bild: Yvonne Beck

Die Operation war also ein voller Erfolg …
Ja, ganz sicher. Aber wir mussten während der Wiederansiedelung der Tiere viel lernen, sehr viel … Und sicherlich wurde zunächst auch der eine oder andere Fehler gemacht. Doch aus unseren Fehlern können andere Projekte nun lernen.

Was für Fehler waren das?
Beim Verladen der Elefanten wurde zum Beispiel nicht darauf geachtet, dass die Familien in den Trucks zusammenblieben. So wurden Mutter und Junges auseinandergerissen. Beim Ausladen hatte ein Truck Verspätung. Natürlich genau der, in dem das Kalb mitfuhr. Als die Mutter also beim Ausladen ihr Junges nicht entdecken konnte, wurde sie extrem aggressiv. Das war eine sehr gefährliche Situation. Sie beruhigte sich erst, als auch der letzte Truck endlich ankam und die beiden wieder zusammengeführt werden konnten. Heute wissen wir, Familien müssen auf jeden Fall zusammenbleiben.

Viele Raubtiere kamen aus dem Etosha-Nationalpark (Namibia) sowie dem benachbarten Pilanesberg-Nationalpark. / Bild: shutterstock
Viele Raubtiere kamen aus dem Etosha-Nationalpark (Namibia) sowie dem benachbarten Pilanesberg-Nationalpark. / Bild: shutterstock

Wer durfte zuerst einziehen?
Antilopen. Es ist sehr wichtig, darauf zu achten, dass die Tiere in der richtigen Reihenfolge angesiedelt werden. Die Jäger niemals zuerst, denn was sollten die Löwen fressen, wenn es noch keine Antilopen gibt? Die Raubtiere kamen also zuletzt. Allerdings darf auch nicht zu viel Zeit verstreichen, da die Antilopen bzw. die nächste Generation der Antilopen vergisst, dass sie vor Raubtieren besser flüchten sollten. Man sollte ihnen also genug Zeit geben, um sich in Ruhe einzuleben, aber auch nicht zu viel, damit sie nicht verlernen, mit ihren Feinden zu leben, und vor allem ihre Feinde noch erkennen. Fressen und gefressen werden ist ein wichtiger Punkt in Afrikas Wildnis.

Die Antilopen durften zuerst einziehen / Bild: shutterstock
Die Antilopen durften zuerst einziehen / Bild: shutterstock

Wie haben sich die Tiere inzwischen eingelebt?
Sehr gut. Die Population wächst bzw. ist stabil. Andere Gebiete haben grosse Schwierigkeiten mit ihrem Wildhund-Bestand. Unsere entwickelten sich so prächtig, dass wir sogar welche in andere Reservate umsiedeln konnten, um dort die Population zu sichern. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht zu viele Raubtiere haben, sonst haben wir bald keine Antilopen mehr. Und auch Geparden haben es recht schwer, wenn zu viele andere Raubtiere im Gebiet sind. Man muss genau beobachten, wie viele Tiere von jeder Spezies das Gebiet handhaben kann, wann das Gleichgewicht kippt und es zu viele Tiere von einer Art und dadurch zu wenig von einer anderen gibt. Es ist ein sensibles Gleichgewicht, das man ausbalancieren muss.

Madikwe hat eine grosse Wildhund-Population / Bild: shutterstock
Madikwe hat eine grosse Wildhund-Population / Bild: shutterstock

Wie kam man eigentlich auf die Idee, das Game Reserve zu eröffnen
Madikwe entstand in der doppelten Absicht, ein Schutzgebiet für gefährdete Tierarten anzulegen und nachhaltige Tourismusinitiativen zu gründen, um dauerhaft Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung zu schaffen, die bis dahin zur ärmsten Provinz zählte. Das Madikwe-Wildreservat wurde gemeinsam durch die Naturschutzbehörde der Nordwest-Provinz als auch durch private Investoren finanziert. Sämtliche Hotels und Game Lodges gehören Privatfirmen, die dafür Konzessionsgebühren an die Parkbehörde zahlen. Einbezogen sind auch die umliegenden Gemeinden, die einen jährlichen Anteil an den Parkgewinnen bekommen und damit eigene Infrastrukturprojekte fördern können. Die Buffalo Ridge Lodge ist eine der zwei Unterkünfte des Madikwe-Parks die zu hundertprozent Teil eines Community-Projekts sind. In Zusammenarbeit mit North West Parks und The Nature Workshop hat die Balete-Ba-Lekgophung-Gemeinschaft eine 45-jährige Pacht der Lodge übernommen. Ein beträchtlicher Teil der Einnahmen fliesst zurück in die dortige Gemeinschaft, um Einrichtungen wie Schulen oder Gemeindezentren zu finanzieren und aufrechtzuerhalten.

Reserve Manager Moremi Keabetswe / Bild: Yvonne Beck
Reserve Manager Moremi Keabetswe / Bild: Yvonne Beck

Also ist das Projekt auch in dieser Hinsicht ein voller Erfolg …
Ja! Es ist schön zu sehen, was dieses Reservat den Menschen gibt und welche Möglichkeiten es ihnen eröffnet. Ganz zu schweigen, wie sehr er nachfolgende Generationen für das Thema Naturschutz sensibilisiert.

 

On the Road
In Madikwe sind weder Selbstfahrer noch Tagesgäste zugelassen, Besucher müssen sich deshalb in einer der Lodges einquartieren, um den Park zu besuchen. Dadurch erhöht sich jedoch die Chance, wilde Tiere zu sehen, denn die Tiere haben sich längst an die offenen Jeeps gewöhnt und empfinden sie nicht als Bedrohung. Zudem wissen die ausgebildeten Ranger genau, unter welchem Baum die Löwenfamilie gern ihr Nickerchen hält oder an welchem Wasserloch die Elefantenherde gerne mal ein Bad nimmt.