Er ist Fotograf, Abenteurer, Gentleman, Künstler, Weltreisender und Entdecker: Peter Beard. Er berichtete in beeindruckenden Bildern über den Kampf um Lebensraum zwischen Mensch und Tier, war Hoffotograf der amerikanischen High Society der 50er- und 60er-Jahre und faszinierte sein Leben lang mit aussergewöhnlichen fotografischen Arbeiten.
Text: Yvonne Beck
Sein ganzes Leben hat er zu einem Kunstwerk gemacht. Aus dem jungen Mann, der seine Tagebücher illustrierte, wurde ein ernsthafter Künstler, der sich in der internationalen Szene eine zentrale Position eroberte. Begonnen hat er als Tier- und Modefotograf in Kenia und wurde zum gefeierten internationalen Fotokünstler.
Peter Beard stammt aus einer der einflussreichsten Familien Amerikas. Sein Grossvater Pierre Lorillard gründete die Firma Tuxedo und erfand den gleichnamigen Abendanzug der feinen Gesellschaft, der hierzulande besser als «Smoking» bekannt ist. Schon als Kind schrieb der am 22. Januar 1938 in New York Geborene Tagebücher, um seine Erinnerungen lebendig zu halten. Im Alter von zwölf Jahren klebte er seine ersten eigenen Fotos hinzu. 1957 schrieb sich Peter Beard dem Wunsch seiner Eltern folgend an der Elite-Universität Yale als Medizinstudent ein, doch widmete sich schon bald dem Studium der Kunstgeschichte. Nach seinem Abschluss in Yale entwickelte er ein grosses Interesse für Afrika. Er begann, den Kontinent durch das Objektiv seiner Kamera zu entdecken, einen Kontinent, den er bisher nur aus Erzählungen kennengelernt hatte. Was er in insgesamt 23 Jahren in Afrika sehen, erleben und lernen sollte, prägte ihn und seine Arbeiten ein Leben lang.
Eine packende Reise in die Welt des Peter Beard
Mit 200 Seiten Tagebuch und 294 Seiten Collagen sowie privaten Aufnahmen, einem Interview und frühen Arbeiten des Künstlers öffnet die zweibändige Ausgabe die Welt des Peter Beard. Sie basiert auf der limitierten Originalausgabe von 2006, die sofort nach Erscheinen ausverkauft war und deren Preis sich seitdem vervierfacht hat. Dieses Buch ist selbst schon ein Kunstwerk.Peter Beard
Herausgeber: Nejma Beard und David Fahey
784 Seiten
Taschen Verlag
«Jenseits von Afrika»
Afrika begeisterte Peter Beard, seit er als Zehnjähriger den Roman «Out of Africa» von Isak Dinesen (Karen Blixen) regelrecht verschlungen hatte. Mitte der 50er-Jahre besuchte er erstmals den Schwarzen Kontinent, lernte die von ihm verehrte Autorin Karen Blixen kennen und schätzen – und kaufte ein Stück Land neben dem ihren. 1961 liess er sich auf der «Hog Ranch» bei Nairobi nieder. Hier fand er das zentrale Thema seines Lebens: Die Zerstörung der letzten Tierparadiese durch den Menschen. Beard erlebte die Bevölkerungsexplosion in Kenia mit, das Ende der Ressourcen und die Bedrohung vieler Tierarten. Er arbeitete einige Zeit im Tasavo-Nationalpark in Kenia und dokumentierte den Tod von mehr als 35’000 Elefanten, die inmitten einer ausgelaugten Landschaft starben, in seinem ersten Buch «The End of the Game». Mit seinen einzigartigen und manchmal schockierenden Werken arbeitete er gegen den Zeitgeist; er zeigte die verendeten Tierkörper und beschrieb seine Eindrücke sorgfältig auf der Schreibmaschine oder mit der Hand – manchmal war gar Blut seine Tinte. So machte er nicht einfach nur Fotos, sondern versah seine Aufnahmen von Krokodilen, Leoparden und Elefanten mit vielen kleinen Zeichnungen, Geschichten, Zeitungsmeldungen und Tierblut und verlieh ihnen dadurch eine starke Ausdruckskraft.
«Ich hätte niemals gedacht, dass ‹The End of the Game› ein so passender Titel für mein Buch von 1965 sein würde! Wir gehen sehr viel schneller unter, als wir dachten.»
ZwischenTagebuch und Modefotografie
Der passionierte Tagebuchschreiber zeichnet und klebt die Spuren seines Lebens akribisch in Bücher, die heute als gesuchte Kunstwerke gelten. In den unzähligen Tagebüchern seiner afrikanischen Jahre kann man zweifelsfrei den kreativen Ursprung seines lebenslangen künstlerischen Schaffens erkennen.
Er beschrieb darin nicht nur seine persönlichen Erinnerungen und Gedanken, sondern machte die Bücher im Sinne eines afrikanischen Medizinmannes zur Schatztruhe seines Lebens. Wie ein Alchimist klebte, band, knetete, schmierte und tropfte Peter Beard Haare, Kiesel, Baumrinde, Falter, Federn, Knochen, Lehm, Sand, Blut und vieles mehr in diese schriftlich-gegenständlichen Zeugnisse seiner Existenz. Ein Grossteil dieser Bücher verbrannte im Juli 1977 in seiner New Yorker Mühle. Nichts als die Grundmauern blieb nach einem verheerenden Feuer von seinem privaten Besitz übrig.
Doch Beard verfiel nicht in Depressionen oder Trauer – Beard machte weiter. Schrieb weiter, fotografierte, sammelte, montierte, klebte und arrangierte. Die dabei entstandenen Collagen und Bildmontagen sind faszinierende Dokumente eines zeitkritischen Ästheten von Welt. In ihnen verband er seine Modefotografien mit den erschütternden Aufnahmen des verendenden afrikanischen Grosswilds aus den 60er-Jahren. Er verknüpfte diese mit eigenen Zeichnungen und Grafiken, versah sie mit Kommentaren, Geschichten und Erinnerungen. Private Bilder finden sich zwischen Mode- und Erotikaufnahmen wieder, Zeitungsausschnitte sind mit organischen Materialien versehen. Diese Arrangements sind wahre Kunstwerke. Aus ihnen spricht der Geist eines Weltenbummlers, der das Leben verstanden hat und dem die Missstände unserer Zeit nur allzu bewusst sind.
Bereits im Jahre 1975 hatte er seine erste Ausstellung in der Blum Helman Galerie; 1977 folgte seine berühmte Installation im New Yorker International Center for Photography, wo er neben persönlichen Erinnerungsstücken Elefantenskelette, seine verbrannten Tagebücher und afrikanische Kunstgegenstände zeigte. Neben seiner künstlerischen Karriere arbeitete Beard auch als Modefotograf und an Projekten mit Andy Warhol, Francis Bacon und Salvador Dalí. Er ging mit Truman Capote und den Rolling Stones auf Tour; er schrieb Bücher mit Jaqueline Onassis und Mick Jagger. Als Modefotograf nahm er Stars wie Veruschka mit nach Afrika und brachte andere – am bekanntesten ist Iman – in die Vereinigten Staaten. 1996, kurz nachdem er von einem Elefanten beinahe totgetrampelt worden war, folgten auf die erste grosse Retrospektive im Centre National de la Photographie in Paris Ausstellungen in Berlin, London, Toronto, Madrid, Mailand, Tokio und Wien. Heute lebt er in New York City, Montauk Point und Kenia mit seiner Frau Nejma und Tochter Zara.
«Wir Menschen sind erbärmlich. Wir sind intelligent, aber primitiv. Wir sind territorial und rückständig. Wir sind wie Tiere. Wir brauchen einen Schlag auf den Kopf und viele Kondome.»
Beards Afrika
Massive Kritik äussert Afrika-Kenner Beard an der Arbeit von Hilfsorganisationen oder Prominenten, die sich für den Erhalt etwa von Grosssäugern wie Elefanten einsetzen, um ihr Gewissen zu beruhigen. Das ganze Geldsammeln für die armen Tiere ist für ihn eine einzige Lüge – sentimentaler Quatsch, damit wohlhabende Menschen ihr schlechtes Gewissen erleichtern können. Das grösste Problem sieht der Fotokünstler in der Überbevölkerung sowohl bei Tieren als auch bei Menschen. Der Mensch vermehrt sich explosionsartig. Vor circa fünfzig Jahren gab es in Kenia 5.5 Millionen Einwohner, jetzt sind es über 40 Millionen. Im Schnitt hat jede erwachsene Kenianerin 8.2 Kinder. Laut Peter Beard geht es den Tieren nicht anders: Es gibt zu viele, viel zu viele von ihnen auf zu engem Raum. Auf dem Titelfoto der Neuausgabe bei Taschen drängeln sich um die 900 Elefanten auf der Suche nach Bäumen, weil sie nichts zum Fressen haben. So gross ist keine normale Herde! Jeder erwachsene Elefant hat schwerwiegende Herzprobleme. Elefanten sind wie Menschen: Sie reagieren mit Krankheiten auf Stress und Platznot. Für den Fotografen teilen Menschen und Elefanten das gleiche Schicksal.
«Only beauty can save the world.»
In seinen Bildern wird die Natur als mächtig beschrieben, gleichzeitig aber auch als verletzlich, und lehnt sich an eine harmonische Darstellung der amerikanischen Naturalisten des 19. Jahrhunderts an. Durch das Objektiv von Beard stösst die Natur einen wütenden Schrei aus und wehrt sich gegen die Unfähigkeit des Menschen, Entwicklung und Wachstum mit Weisheit sowie dem nötigen Respekt für die Unterschiede der verschiedenen Naturelemente zu fördern. Peter Beard glaubt, dass der Schlüssel zur Rettung der menschlichen Spezies die stetige Suche nach Wahrheit und Schönheit ist.