Die Region rund um Porto wird als die Wiege Portugals bezeichnet. Von hier kommt der bekannte Portwein, und die landschaftliche und kulturelle Vielfalt an den Ufern des Flusses Douro zählt unbestritten zu den Kostbarkeiten des Landes.
Text: Detlef Berg / Bilder: shutterstock
Wenn der Douro bei Porto ins Atlantische Meer mündet, hat er eine 897 Kilometer lange Reise zurückgelegt. Seine Quellen sprudeln in 1.700 Metern Höhe an den bis zu 2.230 Meter hohen Picos de Urbion im Nordosten der Iberischen Halbinsel. Auf seinem Lauf durchquert der Fluss die Nordmeseta zum nordöstlichen Zipfel Portugals und bildet auf einem Abschnitt von fast 100 Kilometern die spanisch-portugiesische Grenze. Bei Barca de Alva wendet sich der Douro nach Westen und schickt seine Wasser durch die tief eingeschnittenen Täler dem Atlantik entgegen.
Auf der Brücke
Auf diesem rein portugiesischen Unterlauf ist der Fluss seit Ende der 1980er-Jahre schiffbar. Zunächst gab es nur einige Ausflugsschiffe für Tagestouren auf dem Douro. Mehrtägige Flusskreuzfahrten waren noch vor einigen Jahren so etwas wie ein Geheimtipp. Heute sind 19 Schiffe unterwegs, die zumeist einwöchige Fahrten durch die schöne Flusslandschaft anbieten. Jüngster Zuwachs der Flotte ist die «A-ROSA Alva». Seit Mai dieses Jahres bereichert das in Matosinhos, einem kleinen Ort an der Atlantikküste bei Porto, gebaute Schiff die Flotte auf dem Douro. «Wir mussten einige Tage warten, bis das Meer ruhig genug war, damit wir das Schiff sicher von der Werft in den Fluss schippern konnten», berichtet Renato Braga, Kapitän des Schiffes. «Für hohen Wellengang im Atlantik ist das schlanke Schiff nicht ausgelegt, deshalb mussten wir sehr umsichtig manövrieren», ergänzt er. Seit seinem 18. Lebensjahr arbeitet der heute 54-Jährige auf Schiffen. Auf dem Douro ist er schon über 20 Jahre unterwegs, am Anfang nur mit den kleinen Ausflugsschiffen. Mit der Chance, die «A-ROSA Alva» zu steuern, sei ein Traum in Erfüllung gegangen. «Ich liebe meine Arbeit. Es kommen immer wieder neue Gäste, und es macht mir viel Spass, ihnen meine schöne Heimat zu zeigen», sagt Braga. Ein Blick in die Brücke zeigt aber, dass für den Kapitän und seine Mannschaft auch auf dem ruhig dahinfliessenden Douro grosse Herausforderungen warten. Da müssen zum Beispiel fünf Schleusen passiert werden, die den einst wilden Fluss bändigen und insgesamt 126 Meter Höhenunterschied ausgleichen. Bei der Einfahrt in die schmalen Tore ist Augenmass gefordert – links und rechts bleiben nur wenige Zentimeter bis zu den grauen Betonwänden. Und auch bei den Brücken muss Braga aufpassen: «Wenn der Douro Hochwasser führt, kann es bei der Durchfahrt unter den Brücken schon mal knapp werden, und manchmal ist die Passage überhaupt nicht möglich.»
Ausgangs- und Endpunkt der Kreuzfahrt ist Porto, die zweitgrösste Stadt des Landes. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich die Zwillingsstadt Vila Nova de Gaia, und dort am Pier hat die «A-ROSA Alva» festgemacht. Sie kann 126 Passagiere in ihren 63 Kabinen aufnehmen, und ihre Abmessungen von 79,8 Metern Höhe und 11,40 Metern Breite machen sie passend für die Douroschleusen. Schnell sind die Kabinen bezogen und eine erste Einweisung in Sachen Sicherheit absolviert.
Die Stadt des Portweins
Wohl kaum ein Besucher verlässt die Region, ohne eine der vielen traditionsreichen Kellereien besucht zu haben. Dunkel und kühl ist es, nur langsam gewöhnen sich die Augen an das diffuse Licht. In endlosen Reihen, hoch aufgetürmt bis unter die Decke, werden Hunderte alter Eichenfässer sichtbar, in denen heranreift, was die Portugiesen als ureigensten Ausdruck ihres Volkes bezeichnen – süsser, schwerer und mit 20 Volumen-Prozent recht gehaltvoller Portwein. Wir befinden uns in einer der vielen Portweinkellereien, die sich an der Flusspromenade aneinanderreihen. Ein seit 1756 gesetzlich geschütztes Anbaugebiet und ein Wissen, das in alteingesessenen Familienbetrieben von Generation zu Generation weitergegeben wurde, bringen das unverwechselbare Getränk hervor. «Seine Süsse erhält der Wein durch einen frühzeitigen Stopp der Gärung und dem anschliessenden Verschnitt mit den edlen Weinbränden», erklärt eine junge Frau, die durch die 1730 gegründete Weinfirma Burmester führt. An den Rundgang schliesst sich wie bei fast allen grossen Portweinherstellern in Vila Nova de Gaia eine Verkostung der unterschiedlichen Sorten an. Wohl für jeden Geschmack ist etwas dabei, allerdings haben besonders ältere Jahrgänge auch ihren Preis.
Am nächsten Morgen wartet Paulo auf die Passagiere, die eine Stadtführung in Porto gebucht haben. «Wahrzeichen der Stadt sind die kühnen Brückenkonstruktionen. Vor allem die Ponte Dom Luis I., die sich wie eine riesige Stahlspange über den Fluss spannt, ist ein perfektes Postkartenmotiv für Fotografen», erzählt er. «Auch von der Brücke selbst eröffnen sich atemberaubende Ausblicke auf den Fluss mit seinen farbenfrohen Booten und die mehrstöckigen Ebenen der Altstadt», sagt Paulo weiter. Der Rundgang durch das historische Zentrum kann gleich unterhalb der Stahlbrücke beginnen. Malerische Gassen führen hinauf, dorthin, wo mächtige Kirchen und auch der Torre dos Clérigos stehen. 240 steile Stufen führen nach oben zur Aussichtsplattform des 76 Meter hohen Turms. Die Mühe lohnt sich. Sie wird mit einem faszinierenden Panoramaausblick belohnt. Nicht fehlen darf ein Besuch des Bahnhofs São Bento. In der Schalterhalle erzählen blaue Fassadenkacheln die grossen Begebenheiten der portugiesischen Geschichte. Von dort ist es nicht weit bis zur Fussgängerzone Rua Santa Catarina zum Café Majestic. «Als dort 1990 J.K. Rowling Musse für Harry Potter suchte, war der Jugendstil-Spiegelsaal noch nicht renoviert und so nobel wie heute», weiss Paulo. «Auch die Räume der Buchhandlung Lello e Irmao haben die Autorin zu ihren Romanen inspiriert. Der Ansturm von Touristen ist so gross, dass heute Eintritt verlangt wird, der beim Kauf von Büchern verrechnet wird», erklärt Paulo weiter. Das Schöne an Portos Altstadt – sie ist klein, kompakt und man kann alle Sehenswürdigkeiten zu Fuss erreichen.
Die Kunst des Schleusens
Am frühen Nachmittag legt das Schiff ab. Die meisten Gäste haben es sich auf dem Panoramadeck bequem gemacht und geniessen einen kühlen Drink. Die «A-ROSA Alva» gleitet langsam vorbei an der malerischen Altstadtkulisse von Porto, durchfährt vier Brücken, zwei nostalgische Eisenkonstruktionen und zwei moderne aus Spannbeton. Porto begleitet das Schiff noch ein ganzes Stück weit mit seinen über die Hügel verstreuten Vororten. Neben Villen aus dem 19. Jahrhundert tauchen immer wieder supermoderne Chalets und Bungalows auf. Dann sind es wieder Hänge mit alten Häusern von morbidem Charme, deren Fassaden schon lange auf eine Renovierung warten.
Nach gut zweistündiger Fahrt kommt bei Flusskilometer 20 der erste von fünf Staudämmen in Sicht. Die Schleuse überbrückt 14 Meter, was aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf den Damm Carrapatelo 50 Kilometer weiter flussaufwärts ist. Hier sind 35 Meter zu überwinden, und die Kammerschleuse hat die Höhe eines zwölfstöckigen Hochhauses. Das ist schon etwas beängstigend, das Schiff eingeklemmt im engen Schacht zu erleben. Ein wenig später tauchen die ersten Weinberge auf, und bald schon legt Kapitän Braga im kleinen Ort Porto Antigo an, wo das Schiff über Nacht bleibt. Aus Sicherheitsgründen darf bei Dunkelheit nicht weitergeschippert werden. Wer mag, unternimmt einen kleinen Spaziergang an Land. Um 19 Uhr erwartet dann das Bordrestaurant die Gäste. Serviert werden landestypische Speisen und Weine der Region.
Land des Weines
Am nächsten Tag steht ein Ausflug zur Himmelstreppe von Lamego auf dem Programm. Angelegt wird in Regua, und es bleibt genug Zeit für den Besuch des modernen Douro-Museums. Dort erfahren Besucher alles Wissenswerte über die Kulturgeschichte der Weinbauregion, und natürlich können die Weine auch verkostet werden. Beeindruckend – die 686 Stufen in den Himmel führen zu einer der beliebtesten Pilgerstätten Portugals. Hoch über der Stadt thront eine mächtige Barockkirche. In Lamego selbst zeugen Bischofssitz, Adelspaläste und Herrenhäuser von der Bedeutung des heute eher verschlafenen Ortes im Mittelalter. Quinta da Avessada – so heisst das Weingut, in dem am Abend ein traditionelles Abendessen serviert wird. Doch bevor es so weit ist, müssen die Busfahrer Schwerstarbeit leisten – schmale und kurvenreiche Strassen führen hoch hinauf nach Favaios, mitten in der Weinregion Douro. Recht touristisch sind Begrüssung mit kleiner Band und Begrüssungstrunk. Stimmung kommt aber auf, als Luis Barros mit viel Humor über die Geschichte seines Winzerbetriebes erzählt, der seit mehreren Generationen in Familienbesitz ist. Im Bus war seine Ähnlichkeit mit dem Komiker Mister Bean schon angekündigt. Verblüffend ist dann aber doch die grosse Übereinstimmung.
Mitten in der Hügellandschaft des Nationalparks Douro liegt Barca d’Alva. Früher hielten dort die Züge der Linha do Douro auf ihrem Weg von Porto nach Salamanca – der Bahnhof steht sogar noch. Heute sind es Kreuzfahrtschiffe, die hier haltmachen. Schliesslich ist das beschauliche Örtchen perfekter Ausgangspunkt für Ausflüge zum Castelo Rodrigo und nach Salamanca. Das von beeindruckenden Stadtmauern umgebene Kastell mit seinen engen mittelalterlichen Gassen hat den Geist des Mittelalters weitgehend bewahrt. Andre, ein Franzose, folgte vor 24 Jahren seiner Frau Maria aus Liebe in den damals verschlafenen Ort. «Ich sah das Potenzial, wollte das Dorf wieder zum Leben erwecken», sagt er. «Mandeln in allen Variationen sind unsere Spezialität. Rund 400 Kilogramm verarbeiten wir in der Woche, alles in Handarbeit.» Zum Probieren gibts etwas Mandellikör, aufgegossen mit Prosecco – köstlich!
Am fünften Tag führt ein Ausflug in die Universitätsstadt Salamanca. Bei einem Stadtrundgang durch die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Altstadt werden die mächtige Kathedrale und die Plaza Mayor besucht, und der Stadtführer verrät auch, an welcher Fassade der Frosch, das Maskottchen der Stadt, versteckt ist. Danach geht es zu einer feurigen Flamenco-Show. Dazu gibts köstliche Paella. Die anschliessende Freizeit in der von goldenem Sandstein geprägten Stadt nutzen viele Gäste zum Einkaufen. Regionale Köstlichkeiten wie Pata-Negra-Schinken, Chorizo und Käse sind bei der Rückfahrt zum Schiff im Gepäck. Eine Weinprobe auf der Quinta da Rueda mit spektakulärer Aussicht auf das Douro-Tal und ein Ausflug zu den grünen Gärten des Mateus-Palastes sind die Höhepunkte des vorletzten Tages. Am Abend lädt der Kapitän zum festlichen Gala-Diner. Etwas Wehmut macht sich breit – schliesslich tauchen am nächsten Tag bald wieder die Brücken von Porto auf, und es heisst Abschied zu nehmen.