Längst sind sie vorbei die Zeiten in denen Schwule vor allem auf Gran Canaria, Mykonos oder in Sitges anzutreffen waren und sich fast die gesamte Lesbenwelt auf Lesbos tummelte. Der Gay Travel Market ist vielseitiger als man denkt.

Text: Yvonne Beck

LGBT Travel ist längst kein Nischen-Business mehr, sondern hat sich in den letzten Jahren auf dem Markt stark etabliert. Die Nachfrage ist grösser denn je und wächst stetig an. Immer mehr Destinationen entdecken den Gay-Market für sich. Von Berlin, über Wien bis hin zu Barcelona oder Tel Aviv – weltweit öffnet man sich der LGBTQ* Szene, vor allem in den grossen Metropolen. Viele Reiseveranstalter nutzen dies inzwischen für sich und stellen spezielle Angebote für homosexuelle Urlauber zusammen. Ob sogenannte Gay Cruises, die es seit diesem Jahr erstmals auch in deutschsprachiger Ausführung gibt, Kleingruppenreisen oder Luxusreisen, auf dem Markt tut sich was. Dies zeigte sich auch im grossen LGBT Pavillon auf der diesjährigen ITB Berlin (der grössten Tourismus Messe Europas). Hier waren in diesem Jahr mehr Aussteller mit Fokus auf Gay Travel zu finden als je zuvor, darunter Wien, Illinois, Aspen Snowmass, die Belmond Hotelgruppe, die lateinamerikanische LGBT Travel Association, Madrid, Valencia, Benidorn, Teneriffa, Ontario Tourism, Fort Lauderdale, Florida Keys & Key West, Argentinien, mCruise mit Schauinsland sowie Reiseveranstalter aus Mauritius, DerTour und Condor. Sie alle setzen auf den wachsenden LGBT-Markt und sehen die Zukunft des Tourismus vor allem auch in der zunehmenden Spezialisierung der Reiseindustrie und der Erschliessung von Nischenmärkten.

Einer, der schon seit über 17 Jahren in diesem Segment tätig ist, ist Ray Fuhrer – Geschäftsführer von Pink Cloud Travel Service. Bucketlist sprach mit ihm über die neusten Trenddestinationen der Schweizer Gay Community, «Tabuländern», seine eigenen Lieblingsziele und dem Phänomen der Gay-Cruises.

Ray Fuhrer von Pink Cloud

Reisen Schwule und Lesben mehr als Heteros und geben sie mehr Geld aus?
Raymond Fuhrer: Nein, das glaube ich nicht. Ich weiss, dass dies immer behauptet wird, aber ich halte es für ein Klischee. Diese krasse Trennung von «so sind die Schwulen, so sind die Lesben und so sind die Heteros» finde ich bedenklich – immerhin befinden wir uns inzwischen im Jahr 2017. Es wäre schön, wenn wir endlich alle etwas näher zusammenrücken würden. Vor allem was die Ferien anbelangt. Wir haben jegliche Art von Kunden: budgetbewusste, Kunden für die das Geld keine Rolle spielt, Kunden, die nur das Beste vom Besten wollen, aber auch junge Kunden die einfach mal schnell nach Ibiza und Mykonos möchten. Alles ist möglich und durch das neue deutsche Mutterhaus sind wir preislich nun viel besser aufgestellt als in den letzten Jahren. (Anm. d. R.: Pink Cloud gehört zu Kuoni und die Reisesparte Kuonis wurde 2016 von dem deutschen Reiseveranstalter DERTOUR gekauft.) Davon profitieren unsere Kunden enorm. Preislich waren wir noch nie so stark. Die Kunden in der Schweiz haben nun immer noch uns als Berater, haben weiterhin die gleiche Top-Qualität, aber zu viel besseren Preisen.

Aber wer gibt mehr aus fürs Reisen Schwule oder Lesben?
Frauen sind ein wenig preisbewusster, Frauen reisen aber generell bewusster. Sie sind nicht die Partyszenegänger. Es gibt natürlich immer Ausnahmen, aber die Mehrheit reist recht bewusst. Wir führen mit unseren Kunden Analysen mit Fotos durch und spüren so sehr schnell ihre Bedürfnisse auf und finden dementsprechend Destinationen heraus, auf die der Kunde vielleicht selbst gar nicht gekommen wäre, die aber eigentlich genau das richtige sind.

Wohin führt die nächste Reise? Folg dem Regenbogen…

Pink Cloud gibt es seit nunmehr 17 Jahren. Hat sich das Reiseverhalten von Schwulen und Lesben in dieser Zeit verändert?
Durch das Internet hat sich sehr vieles verändert. Heute muss eigentlich niemand mehr ins Reisebüro gehen, weil er einen Flug buchen möchte oder einen kurzen Städtetrip macht. Doch viele Kunden nehmen diesen Service weiterhin wahr. Sie sind bereit etwas mehr für ein Ticket auszugeben, aber dafür auch immer einen Ansprechpartner bei Problemen zur Hand zu haben. Wir verzeichnen in letzter Zeit zudem extrem viele junge Kunden. Sie suchen bei uns nach Inspirationen und persönlichen Expertentipps. Bei uns sind sie sich sicher, dass wir fast alle Hotels und Destinationen persönlich kennen. Sprich, wenn ich ein Hotel empfehle, dann war ich auch dort. Viele Kunden vertrauen nicht mehr auf Tripadvisor und ähnliche Bewertungsplattformen. Sie wissen, dass es eine Menge Fake-Bewertungen gibt. Wenn mir jedoch der Kunde seine Bedürfnisse mitteilt, werde ich für ihn zu fast 100% das passende Resort auswählen.

Welche Reiseziele boomen momentan?
Das kommt ganz auf die Art der Ferien an. Auf den Kurzstreckenbereichen ist es im Winter immer noch ganz klar Gran Canaria und auch im Sommer zieht es viele dorthin. Auch wenn es nicht zu meinen Favoriten gehört, durch die Dünen hat diese Insel irgendetwas sehr magisches. Sie spricht das Bedürfnis vieler Schwuler an. Sitges und Mykonos liegen immer noch stark im Trend. Weiterhin sehr beliebt, obwohl es keine eigentliche Gay-Destination ist, ist Kroatien. Die Insel Hvar ist ein zweites Mykonos – einfach wunderschön und idyllisch. Viele unsere Kunden interessieren sich für Skandinavien und Kunden mit viel Geld zieht es häufig nach Sardinien. Doch es kommt immer auf die eigenen Bedürfnisse an. Manche Kunden möchten 100% schwule Ferien machen und ihre Zeit an Orten verbringen an denen die Bar, das Hotel und die anderen Gäste schwul sind. Andere suchen einfach nach schönen Ferien mit gutem Essen in einer tollen Atmosphäre. Im Langstreckenbereich ist eine der absoluten Trenddestinationen sicherlich Kuba. Obwohl diese momentan völlig überrannt wird. Ganz gross ist zudem Südafrika und der Ferne Osten mit Laos, Kambodscha, Myanmar etc…

Ein weiterer, schon länger andauernder Trend sind Kreuzfahrten. Was ist der Reiz an einer Gay-Kreuzfahrt
Fast jeder, der einmal auf einer Gay-Kreuzfahrt war ist Repeater. Ich hab noch nie einen Kunden gehabt, dem es nicht gefallen hat. Eine Gay-Kreuzfahrt kann man sich wie einen schwimmenden Club auf einem extrem hohen Niveau vorstellen. Die Schiffe haben einen hervorragenden Service, Top Essen und grosszügige Kabinen. Zudem gibt es viele verschiedene Mottoparties. Auf den Schiffen können sich schwule Männer und lesbische Frauen einfach so geben wie sie sind. Händchenhalten und Zärtlichkeiten austauschen auch ausserhalb der eigenen vier Wände ist hier kein Problem, denn man ist ja unter sich. Für viele ist dies die einzige Form von Urlaub, bei der sie endlich sie selbst sein dürfen.

Gay Cruises liegen im Trend

Wie sieht die Altersrange auf einem Kreuzfahrtschiff aus?
Jede Route hat ein anderes Publikum. Die jüngeren gehen eher in die Karibik. Hier stehen häufig Sonne, Fun und Party im Vordergrund. Mittelmeerrouten sind bunt gemischt. Reisen in den Norden oder Osten sind häufig Kulturreisen und sprechen somit eher ältere Kunden an. Asien und Australien sind eher teurer, Karibik und Mexiko ein bisschen preiswerter, daher hat man bei der zweiten Option häufig ein jüngeres Publikum. Gerade bei Kreuzfahrten ist es wichtig sich gut zu informieren, wohin man fährt und was genau man bucht. Welche Kabine, welche Route, welches Schiff – da gibt es riesen Unterschiede.

Und welche Art von Reisen ist momentan sonst noch besonders angesagt? Städtetrips, Fern- oder  Kulturreisen …?
Das kann man so nicht beantworten. Aber im Gegensatz zu früher stellen wir heute fast nur noch massgeschneiderte Individualreisen zusammen. Packages werden fast gar nicht mehr verlangt. Zudem laufen unsere Kleingruppen sehr gut. Damit holen wir Menschen ab, die alleine sind oder sich selbst nicht zutrauen solche Reisen alleine zu machen. Die letzte Kleingruppenreise nach Namibia war ein riesen Erfolg. Die Teilnehmer treffen sich heute noch regelmässig. Auch unsere Gruppenreisen nach Lappland kommen  sehr gut an. Bei Hundeschlittenfahrten und Eislochsauna finden viele Gays ein ganz besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. Lappland boomt extrem. Eine Woche in einem Blockhaus mit Sauna in tief verschneiter Winterlandschaft mit magischen Nordlichtern faszinieren immer mehr Kunden.

Von welchen Ländern würden Sie momentan abraten?
Oh, viele – aber auch das ist sehr individuell. Ich persönlich war in bereits sehr vielen muslemischen Ländern unterwegs und habe dort wunderbare Begegnungen gehabt. Aber es ist sicher nicht jedermanns Sache, denn man muss gewillt sein, sich den Gepflogenheiten anzupassen. Man muss gegenüber anderen Kulturen immer eine grosse Portion Respekt und Achtung mitbringen. Ich persönlich würde momentan jedoch nicht nach Saudi Arabien und Uganda reisen. Obwohl mich ein Gorillatrekking extrem reizt. Ich möchte meine Kunden jedoch nicht bevormunden, denn schlussendlich muss jeder selber wissen, was er in seinen Ferien sucht oder ausleben möchte. Wir können nur Empfehlungen geben.

Gay Travel LGBTQ
Bei Pink Cloud finden schwule Männer und lesbische Frauen eine Reisewelt, die komplett auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. / Bild: shutterstock

Und welche Destination gilt als besonders gayfriendly?
Leider ist gayfriendly ein inzwischen sehr abgedroschenes Wort. Jeder will davon profitieren, aber viele lassen sich gar nicht wirklich darauf ein. Jeder will auf den «gayfriendly»-Zug aufspringen und eine kaufkräftige Kundschaft einfangen. Aber das funktioniert nicht so einfach, denn Schwule und Lesben kann man nicht einkaufen. Ich habe wöchentlich Anrufe von Gesellschaften oder Hotels, die mich als Sprungbrett betrachten. Aber man kann sich nicht einfach eine Plakette aufkleben und dann läuft es schon. Da steckt schon ein bisschen mehr dahinter.

Aber was macht Ihrer Meinung nach beispielsweise ein «gayfriendly» Hotel aus?
Das fängt bei ganz kleinen Sachen an. Wenn ich mit meinem Mann ein gayfriendly Hotel buche, erwarte ich im Bad zwei Herrenbademäntel und zwei Herrenslipper und nicht einen Damenbademantel und ein viel zu kleines Paar Hausschuhe. Oder das Hotel sollte daran denken auch eine Gay-Map auszulegen und bei Fragen sollte man auch schwule Empfehlungen geben können.

Ihr persönlicher Gay-Hotspot in Europa?
Zum Partymachen auf jeden Fall Berlin.

Gay Hauptstadt Berlin
Berlin: Partyhauptstadt der Schwulen / Bild: shutterstock

Und welches Fernziel liegt hier im Trend?
Das ist Geschmackssache. Thailand, USA oder Brasilien – je nachdem welche Männer man mag. Meine persönlichen Lieblingsstädte sind Kapstadt und Sydney. In Südafrika ist man schwulen Männern gegenüber offener und toleranter als gegenüber lesbischen Frauen.

Was mach eine Destination zu einer Gay-Destination?
Wenn man zurückschaut, dann sind es einfach immer die schönsten Plätze auf der Welt. Mykonos ist einfach die schönste der griechischen Inseln. Künstler haben sich an bestimmten Orten niedergelassen und früher oder später kam die Gay Community dazu. Das war in Sitges oder auch in Cap Cod in den USA so. Darüber hinaus ist es auch wichtig wo man seine Sexualität offen leben konnte und es kommt natürlich auch darauf an was die Destination alles bietet. Wien ist ein absoluter Vorreiter für die Szene.

Wo gehen Ihre nächsten Ferien hin?
Bad Griesbach zum Golf spielen. Ich bin aber auch gerade erst aus Südafrika zurückgekommen.

Welches Land möchten Sie persönlich noch unbedingt bereisen?
Die Antarktis!

Und welches ist Ihr schönstes Reiseerlebnis?
Myanmar – In dieses Land habe ich mich einfach verliebt. Und das grossartigste, was ich bisher erlebt habe, war ein Trekking zu den Orang Utans im Dschungel von Borneo. Diese Reise wird mir für immer im Gedächtnis bleiben. Das war einfach ein unvergessliches Erlebnis.