Sie führte ein Leben, das aussergewöhnlich emanzipiert war für ihre Zeit. Auf eigene Faust bereiste sie Spanien, den Süden der USA, Nordeuropa, Afrika und Asien. Annemarie Schwarzenbach: eine Pionierin der Reisereportage in Text und Bild.
Annemarie Schwarzenbachs Leben gleicht einem Roman. Zeitgenossen beiderlei Geschlechts verliebten sich reihum in die junge Frau, die am 23. Mai 1908 in Zürich während eines Schneesturms in eine der reichsten Familien der Schweiz hineingeboren wurde. Die vielseitig Begabte promoviert im Alter von 23 Jahren und publiziert ihren ersten Roman. Danach zieht sie ins pulsierende Berlin und von da aus in die grosse weite Welt.

Appell
«Wir mögen ja heute in Europa skeptisch geworden sein gegenüber Schlagworten von Freiheit, Verantwortung, gleichem Recht für alle, aber es genügt, die dumpfe Knechtschaft von Nahem gesehen zu haben, die aus Gottes Geschöpfen freudlose, angsterfüllte Wesen macht – und man wird die Entmutigung abschütteln (…) (und) an die schlichten Ziele eines menschenwürdigen Daseins glauben und sich dafür einsetzen.» (Annemarie Schwarzenbach in «Die Frauen von Kabul» 1939)
Ihre rastlose Neugierde trieb sie in die Ferne hinaus. Vier Mal reist sie in den Orient, vier Mal in die Vereinigten Staaten. 1939 fährt sie mit der Reiseschriftstellerin Ella Maillart in einem Ford von Genf bis nach Kabul, wenig später bricht sie auf nach Afrika. Die beiden Abenteurerinnen befuhren als erste Frauen mit dem Auto die afghanische Nordroute von Herat nach Kabul. Die von seelischen Konflikten zerrissene Schwarzenbach versucht, unterwegs ihren inneren Kompass zu finden. Sie selbst beschreibt sich als «unheilbare Reisende». Sie erfährt auf ihren Reisen das Glück des Unterwegsseins und die berauschende Welt der Landschaften Asiens und Afrikas. Als Zeitzeugin protokolliert sie hellwach die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, während sie als Schriftstellerin die Abgründe ihres Ich erkundet im Spannungsfeld zwischen der oft atemberaubenden Fremde und dem Schatten des in Europa ausgebrochenen Zweiten Weltkriegs.
Mit Erika und Klaus Mann ist sie eng befreundet, mit ihrer konservativen Familie gerät sie wegen ihrer antifaschistischen Haltung und massiven Drogenproblemen in schweren Konflikt. Wegen ihrer Morphiumsucht und Depressionen kam sie in New York in psychiatrische Behandlung und versuchte mehrmals, sich das Leben zu nehmen. 1942 stirbt Annemarie Schwarzenbach, mit nur 34 Jahren, an den Folgen eines Fahrradunfalls und der Fehldiagnose Schizophrenie, in ihrem Haus in Sils im Engadin.