Den Messner kennt in Südtirol ein jedes Kind. Ein Mann mit vielen Ecken und Kanten. Er ist einer der bekanntesten Bergsteiger und Abenteurer. Reinhold Messner hat aber auch seiner Leidenschaft dem Berg und dessen Kultur ein Museumsprojekt mit sechs ungewöhnlichen Standorten in der grandiosen Landschaft Südtirols und in Belluno gewidmet. Seine Tochter Magdalena führt das Werk ihres Vaters weiter. Vielleicht ein bisschen leiser, aber mindestens ebenso erfolgreich. Wir trafen Magdalena Messner im Messner Mountain Museum MMM Corones auf dem Gipfelplateau des Kronplatzes in Südtirol.
Text: Yvonne Beck
Ihr Vater hat viele Extreme ausgelotet. Er bestieg als Erster den höchsten Berg der Welt ohne künstlichen Sauerstoff, er stand als Erster auf allen 14 Achttausender-Gipfeln. Wie sieht es mit Ihrer Abenteuerfreude aus?
Ich bin dem Ruf meines Vaters gefolgt und habe sein «Erbe» übernommen. Die Leitung seiner Museen war für mich Abenteuer genug. Mein Bruder ist eher in die Fussstapfen meines Vaters gestiegen. Simon klettert mit grosser Begeisterung. Ich liebe die Berge zwar auch und gehe unheimlich gerne wandern, aber nicht im Bereich des Extremsports. Mein Vater und Bruder sind Grenzgänger. Eine Zeitlang habe ich das Wandern boykottiert – das war meine kleine Rebellion. Aber inzwischen fehlen mir die Berge, wenn ich sie nicht in meiner Nähe habe. Wobei ich ein gutes Buch einer Gewalttour immer noch vorziehe.

Ihr Vater ist für viele eine Reizfigur. Viele halten ihn für kompromisslos und aufsässig. Sie wirken ganz anders – sanft, besonnen und einfach sympathisch. Wie erleben Sie Ihren Vater und wie ist es, mit so einem Menschen aufzuwachsen?
Ist mein Vater von einem Projekt überzeugt, verfolgt er es mit aller Kraft und gegen alle Widerstände. Auch heute noch mit 74 Jahren. Er ist eine Autorität in Sachen Alpinismus, und wer Erfolg hat, hat auch viele Neider. Ich liebe ihn dafür, dass er sich nicht verbiegen lässt und stets für seine Meinung eingestanden ist. Auch wenn er ein wenig diplomatischer sein könnte. Sicherlich hat die in der Öffentlichkeit kontroverse Persönlichkeit meines Vaters auch mich geprägt. Ich musste ein bisschen stärker als andere Kinder sein und früh lernen, Position zu beziehen.
Wussten Sie als Kind, was Ihr Vater macht, und hatten Sie Angst um ihn?
Ich hatte eine absolut unbeschwerte Kindheit. Mein Vater war für mich ein Abenteurer, der die Pinguine besuchte und auf Expeditionen ging. Aber Angst hatte ich nie um ihn. Uns waren die Gefahren als Kinder gar nicht bewusst. Und seien wir mal ganz ehrlich: Es kann einen immer und überall erwischen.

/ Marion Lafogler.
Das Herz Ihres Vaters schlägt für die Berge. Wofür schlägt Ihr Herz?
Ich liebe die Kunst. Ich habe Kunstgeschichte studiert und bin während meines Auslandsemesters in Rom tief in die italienische Kultur eingetaucht. Ich liebe es, Museen zu besuchen und mich mit Kunst zu umgeben.
Und jetzt leiten Sie die Museen Ihres Vaters…
Ja, obwohl es hier weniger um Kunst als um die Geschichte des Alpinismus, das Leben von Bergvölkern oder den Schrecken des Eises geht. Ich bin sehr froh, dass ich aus Vernunftgründen auch noch Wirtschaft studiert habe, das kommt mir heute sehr zugute.
Was reizte Sie an der Übernahme der Messner Mountain Museen, und war es nicht eine grosse Umstellung, von Wien wieder nach Südtirol zu ziehen?
Ich liebe Wien und die kulturellen Möglichkeiten, die man dort hat. Ich liebe das Burgtheater und die Ausstellungen. Doch als mein Vater mir anbot, das Corones auf dem Kronplatz mitzugestalten, packte ich die Möglichkeit am Schopf. Die Museumsarbeit führt all meine Interessen zusammen, und mir war klar, dass ich dabei viel von meinem Vater lernen konnte. Am Anfang hat er noch viel dreingeredet, aber inzwischen bin ich Alleinverwalterin aller sechs Museen.
Ihr Vater vertraut Ihnen also, dass Sie sein Erbe in seinem Sinne weiterführen?
Ja, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Aber für meinen Vater ist das Museumsprojekt abgeschlossen. Es macht ihm Spass etwas Neues zu erschaffen. Danach verliert er häufig die Lust und widmet sich einem anderen Projekt. Seine neuste Leidenschaft ist das Filmemachen. Und die Museen liegen ganz und gar in meiner Obhut.
Ihr Vater redet Ihnen also nicht mehr rein?
Nein. Ganz selten macht er mir einen Strich durch die Rechnung, weil er ein Bild unbedingt so oder so hängen haben will. Aber im Grossen und Ganzen lässt er mir komplett freie Hand. Auch wenn er recht genervt war, dass er beispielsweise die Museums-App in drei Sprachen sprechen sollte. Mein Vater hat 20 Jahre seine gesamte Energie und finanziellen Mittel in die Museumsprojekte gesteckt. Nun ist es an mir, sie in seinem Sinne, aber mit einer grossen Prise Magdalena Messner weiterzuführen.
Sie sind erst 30 Jahre alt, leiten aber bereits sechs Museen, haben zwei Studien abgeschlossen, drei Bücher geschrieben. Das zeugt von einem enormen Ehrgeiz. Haben Sie diesen von Ihrem Vater geerbt?
Kann man so was erben? Ich weiss es nicht, aber sicherlich haben wir Werte wie Disziplin und Zielstrebigkeit von beiden Elternteilen vorgelebt bekommen. Ich wollte immer etwas Eigenes erreichen und nicht einfach die Tochter von Reinhold Messner sein. Obwohl ich die natürlich bin und immer sein werde.
Wie ähnlich sind Sie Ihrem Vater?
Ach herrje, das kann ich selbst schwer beurteilen. Ich glaube, dass ich wie mein Vater ein richtiger Sturkopf sein kann, aber ich bin im Gegensatz zu ihm nicht cholerisch veranlagt. Mein Vater ist sehr aufbrausend. Wie ein Gewitter, das aber auch schnell wieder vorbei ist. Ich hingegen werde nie laut und bin extrem harmoniebedürftig. Aber auch ich beharre gerne auf meiner Meinung, und wir umgeben uns beide gerne mit schönen Dingen. Ich bin mit Kunstwerken aufgewachsen, die Papa aus der ganzen Welt mitgebracht hat.
Welches der Museen ist Ihr Lieblingsmuseum?
Das kann ich wirklich nicht beantworten. Jedes ist auf seine Weise einzigartig und besonders. Von seiner Location, seinem Gebäude, aber auch von seiner Thematik. Ich liebe das Schloss Juval, weil so viele Kindheitserinnerungen damit verbunden sind. Das Corones besticht hingegen durch seine einzigartige Architektur. Es ist Zaha Hadits letztes Gebäude. Die Fertigstellung hat sie leider nicht mehr erlebt. Im MMM Ripa auf Schloss Bruneck kann das «Erbe der Berge», das den Bergvölkern seit Jahrtausenden das Überleben hoch oben am Abgrund sichert, nachempfunden werden, wo hingegen das MMM Firmian auf Schloss Sigmundskron die Auseinandersetzung Mensch – Berg thematisiert. Das MMM Dolomites bietet einen spektakulären Blick auf die Dolomiten, und das Museum in Sulden am Ortler ist unterirdisch angelegt und dem Thema Eis gewidmet. So bieten die sechs Museen an sechs verschiedenen Orten sechs völlig unterschiedliche Erlebnisse. Jedes Haus ist einem Teilthema gewidmet. Das MMM ergibt als Mosaik einen weltweit einzigartigen Erlebnisraum, in dem zwischen Natur und Kultur begreiflich wird, was die Berge für uns Menschen bedeuten.
Sie haben den österreichischen und italienischen Pass – als was fühlen Sie sich?
Mir sind beide Länder sehr nahe und ich liebe meine Heimat Südtirol. Die Landschaft ist einfach einzigartig – vom kulinarischen Aspekt ganz zu schweigen. Ich liebe die Südtiroler Küche, auch wenn man mir das nicht ansieht.