Schon immer war das Leben der Menschen in Thailand eng mit dem der Elefanten verbunden. Bis 1917 zierte sogar ein weisser Elefant die Nationalflagge des Landes, und bis zum heutigen Tag werden die mächtigen Tiere als ein Glück bringendes Symbol verehrt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Elefanten lange Zeit zu Kriegsdiensten und schwerer Arbeit eingesetzt wurden.

Oft wurden sie dabei misshandelt und gequält. Eine mutige Frau hat im Norden Thailands einen Park geschaffen, in dem die Tiere nun in Frieden leben können.  Wir haben sie besucht.

Text: Detlev Berg

Bild: Detlef Berg

Arbeitslose Dickhäuter
Als 1989 der Holzeinschlag in Thailand verboten wurde, sank der Bedarf an Arbeitselefanten. Viele Tiere wurden «arbeitslos». Die Besitzer konnten oder wollten sich ihre Pflege nicht mehr leisten. Sie wurden vernachlässigt oder einfach ihrem Schicksal überlassen. Viele Tiere verhungerten sogar, denn es gibt kaum noch natürliche Rückzugsgebiete für die Dickhäuter. Da war es doch eine gute Idee, wenn die arbeitslosen Elefanten in speziellen Camps mit der Bespassung von zahlenden Touristen noch eine schöne Aufgabe bekamen. Sie malten mit dem Rüssel Bilder, schossen Tore oder verteilten als Weihnachtsmann verkleidet Geschenke an die Besucher. Und zwei Touristen auf dem Rücken sind bei einer Trekkingtour durch den Dschungel auch nur Fliegengewichte verglichen mit den schweren Baumstämmen. Das klang überzeugend, und es überzeugte auch uns.

Bild: Detlef Berg

Von einem Gerüst aus erreichten wir die gepolsterten Sitze, die auf dem massigen Rücken des Dickhäuters befestigt waren. Ein Mahout – so werden die zumeist noch sehr jungen Elefantenhüter genannt – stand hilfreich zur Seite. Er selbst schwang sich direkt vor uns auf das Tier, ohne Sattel, einfach so. Und schon setzte sich unsere Elefantendame Noi mit uns in Bewegung. Trittsicher bahnte sich Noi ihren Weg durch den Dschungel, zermalmte im Wege stehende Büsche oder knickte auch einfach mal einen jungen Baum mit dem Rüssel um. Wir kamen mächtig ins Schwanken, hatten Angst herunterzufallen. Doch die festen Griffe am Sattel gaben uns Sicherheit, und wir waren mutig genug, einige spannende Motive mit der Kamera festzuhalten. Damals hatten wir nur die Spiegelreflexkamera. 1990 war nämlich noch nicht die Zeit der Handys und Selfies. Und es war eine Zeit, in der damit geworben wurde, dass den Elefanten in diesen Camps ein artgerechtes Dasein geboten würde.

Eine neue Heimat für Elefantenseelen
Nicht alle waren davon überzeugt – auch Saengduen Chailert sah und sieht das ganz anders: «Niemand hat die Elefanten gefragt, ob sie die Touristen wirklich unterhalten oder auf ihrem Rücken durch den Dschungel transportieren wollen», macht die zierliche Frau, die alle nur Lek nennen, deutlich. «Die Tiere werden nicht für uns geboren», ergänzt sie. Wir treffen Lek in einem Elefantencamp im Norden Thailands. Von Chiang Mai, der zweitgrössten Stadt des Landes, brauchten wir rund anderthalb Stunden, bevor wir das weitläufige Tal am Mae-Taeng-Fluss erreichten, in dem sich der Elephant Nature Park befindet. Das über 100 Hektar grosse Areal mit etwas Wald und weitläufigen Wiesen, Matschlöchern, riesigen Sonnenschirmen aus Bast und einem Fluss ist die neue Heimat für derzeit 84 Elefantenseelen. Viele von ihnen haben eine erschreckende Vergangenheit hinter sich, bevor sie ins Camp aufgenommen wurden: einige kamen schwer krank oder völlig erschöpft, blind oder kurz vor dem Hungertod stehend in den Park, andere hatten schlimme Verletzungen durch Misshandlungen oder durch explodierende Landminen im Grenzgebiet zum benachbarten Myanmar erlitten. Fast alle Tiere sind traumatisiert und können jetzt endlich in Frieden leben.

«Schon als Kind bin ich Elefanten begegnet», erzählt die 58-jährige Lek, die in den Bergen bei Baan Loa hoch im Norden beim Volk der Khamu aufwuchs. «Mein Grossvater war der Dorfschamane, nahm mich immer wieder mit in den Urwald und hat mich in viele Geheimnisse eingeweiht», erinnert sie sich. Dabei hat sie einen «natürlichen Respekt» vor Tieren und Pflanzen erworben. «Ich werde nie das Schreien und die Blicke eines Elefanten vergessen, dem es offensichtlich schwer fiel, die Holzstämme so schnell zu bewegen, wie sein Besitzer es wollte. Ich war damals 16, konnte die ganze Nacht nicht schlafen und habe überlegt, was ich tun kann», erinnert sich Lek. «Ich musste ihm irgendwie helfen, Medizin bringen, um mit heilender Salbe die schmerzhaften Wunden zu versorgen.» Lek besorgte sich medizinische Fachliteratur, nahm später Mae Perm – so hiess der Elefant – zu sich und pflegte ihn gesund. Das war 1992. Als ein Mäzen aus Texas den Kauf von einem Stück Land ermöglichte, gründete Lek den Elephant National Park. Mittlerweile ist daraus ein weltweit beachtetes Vorzeigeprojekt in Sachen Tierschutz geworden, das ohne staatliche Hilfen auskommt. «Ich hätte nicht gedacht, dass wir mit dem Schutz der Tiere etwas Geld verdienen können», sagt Lek. «Es kommen aber immer mehr Besucher, die bereit sind dafür zu zahlen, nicht auf Elefanten zu reiten. Dafür können sie die Tiere hautnah beobachten und sie auch füttern.» Ausserdem gibt es viele Freiwillige, die Leks Arbeit vor Ort unterstützen.

Ein Herz für die grauen Riesen
Fest angestellt ist dagegen Gorlae. Der 25-jährige Burmese ist seit acht Jahren dabei und sehr glücklich mit seinem Job – der Betreuung des Elefantenbullen Mae Sri Nuan. Aus Liebe zu «seinem» Elefanten hat er sich sogar ein Abbild und den Namen seines Schützlings auf den Oberarm tätowieren lassen. Den ganzen Tag über bleibt der Mahout an der Seite von Mae Sri Nuan, folgt ihm dorthin, wo der Bulle hinmöchte, und hält Besucher auf Distanz. Sein Elefant ist auf dem linken Auge blind, erfahren wir im Gespräch mit Gorlae, und dass die Verletzung vermutlich von einer Schleuderkugel verursacht wurde. Gorlae erzählt auch, das sein Schützling täglich 200 bis 300 Kilo frisst. Mae Sri Nuan bekommt viel Heu und vor allem Äste mit frischen Blättern.

Reisenotizen
Elephant Nature Park, Eintritt inkl. Führung und vegetarischem Mittagessen rund 70 Euro

Reiseveranstalter: Intrepid Travel bietet Erlebnisreisen an, bei denen Begegnungen mit Einheimischen und im Vordergrund stehen.

Anreise: mit Thai Airways nach Bangkok und weiter nach Chiang Mai.

Richtige Leckerbissen sind für ihn natürlich Bananen. Dann schlägt Mae Sri Nuan mit den Ohren als Zeichen, dass er glücklich ist. Auch ein Bad im schlammigen Fluss nehmen die Dickhäuter sehr gerne. Wie sehr es die Tiere schätzen, dass sie noch einmal ein richtiges Elefantenleben führen dürfen, zeigen sie auch – als sich Lek mit einem Sack Futter ins Gras setzt, stapfen mehrere Dickhäuter gemächlich auf sie zu. Die massigen Tiere umzingeln die zierliche Frau regelrecht, berühren sie sanft. «Ich denke, dass diese Tiere die schönsten Menschen sind», sagt sie lächelnd.