Seit sieben Jahren ist Urs Gschwend, Küchenchef im 5 Sterne Hotel Le Grand Bellevue in Gstaad. Im mit einem Michelin Stern ausgezeichneten Gourmetrestaurant Leonard’s zaubert er immer wieder kulinarische Offenbarungen auf die Teller der Gäste. Bucketlist traf den bekennenden New York Fan und Sternekoch sprach mit ihm über klassische Gerichte, die Kunst des Easy Dining im Le Grand Bellevue und den Reiz der Schweizer Küche.
Text: Yvonne Beck
Herr Gschwend, wollten Sie schon immer Koch werden?
Ich bin beruflich vorbelastet, meine Mutter kommt aus dem Bündnerland und ihre Familie war bereits im Gastgewerbe tätig. Zudem hat mein älterer Bruder ebenfalls Koch gelernt. Bereits als Kind war ich nach der Kirche immer im Restaurant und habe stolz mein Schnitzel mit Pommes frites gegessen. Das war für mich das grösste!
Sie haben immer in der Schweiz gearbeitet, was für einen Koch Ihres Kalibers ungewöhnlich ist. Warum hat es Sie nie in die Ferne gezogen?
Ich bin in der Schweiz «hängengeblieben», da ich recht früh Vater geworden bin. Meine Auslandserfahrungen habe ich jedoch durch viele kürzere Projekte und Reisen gemacht. Ich habe fünf Wochen an den Italienische Wochen in Santiago de Chile teilgenommen. Später war ich zwei Monate in New York und habe dort in den besten Restaurants der Stadt gearbeitet. Zudem habe ich meinen Bruder zwei Monate in der Karibik besucht und habe dort in der Küche mitgeholfen.

Was schätzen Sie besonders an der Schweiz und was an Gstaad?
Wir leben hier oben in einem Paradies. Die Schweiz ist einfach gut organisiert und das geniesse ich. Gstaad ist ein sehr authentischer Ort, der eher auf Understatement setzt. Um ein bisschen Chaos zu haben kann man dann ja in die Ferien gehen. Aber ich freue mich jedes Mal wieder zurück zu kommen.
Sie sind ein grosser NYC Fan. Was fasziniert Sie so an dieser Stadt und findet sich davon etwas in Ihrer Küche wieder?
Sicherlich hat mich die Zeit in New Yorker geprägt. Ich bin sehr häufig dort gewesen und habe immer nach neuen Konzepten Ausschau gehalten. Zudem habe ich mich sehr für die Street Food Szene interessiert. Diese ganze Burger- und Sandwichkultur war damals extrem trendy. In Sachen Kreativität kann den New Yorkern so schnell keiner was vormachen. Das Easy Dining Konzept, welches ich mit meiner Küche verfolge und welches die Philosophie des Le Grand Bellevue und speziell des Leonard’s widerspiegelt, habe ich sicherlich von dort übernommen oder auch den Anspruch einfach den besten Burger der Schweiz zu machen (lacht). Diesen gibt es nun auf der Karte des Leonard’s! In NYC findet man Einflüsse aus der ganzen Welt und man geht damit extrem locker um. Diese Mischung aus ganz verschiedenen Kulturen lassen extrem spannende Gerichte entstehen. Einfach mal machen ist hier die Devise und das gefällt mir.
«Ich habe den Anspruch den besten Burger der Schweiz zu machen.»
Man beschreibt als Koch, der klassische Gerichte modern interpretiert. Was genau heisst modern interpretiert?
Ich mag klassische, landestypische Küche. Daher koche ich gerne klassische Gerichte, aber richte sie anders an und verändern die Rezeptur. Häufig mache ich Gerichte, dem Zeitgeist, entsprechend ein wenig leichter. Zu schwere Mahlzeiten sind heute nicht mehr gefragt.

Wie würden Sie die Schweizer Küche beschreiben?
Wir haben in der Schweiz einen sehr hohen Standard. Die Ausbildung ist wirklich gut und daher ist auch die Qualität unserer Küche in den letzten Jahren sehr gut geworden. Über die Kreativität mancher Kollegen kann man nur staunen. Die Schweiz koch inzwischen ganz oben mit!
Was gibt es bei Ihnen, wenn es typisch Schweiz sein soll?
Ich bin ein grosser Fan von Züricher Geschnetzeltem mit Rösti. Es darf auch ab und an mal ein Fondue sein. Aber ein Wurst-Käse-Salat mit guten Zutaten und Liebe gemacht, ist für mich pure Schweizer Gaumenfreude. Authentische Produkte sind mir dabei besonders wichtig!
Auf der Speisekarte des Leonard‘s finden sich viele Klassiker. Gibt es nicht gutes Neues?
Doch es gibt viele gute und interessante neue Gerichte. Deshalb bieten wie jeden Abend das Menu de Chef an. Dieser Vier-Gänger ist meist recht modern interpretiert. Aber auf unserer Karte bieten wir auch gerne Klassiker an. Warum muss man immer die Welt neu erfinden, wenn etwas wirklich gut ist. Neben Carpaccio, Burger und Seezunge finden Sie jedoch auch einen Quinoasalat oder einen Shrimp-Wrap. Es ist für Jeden was dabei. Aber viele unserer Gäste verlangen nach den alten Klassikern. Wer den ganzen Tag Ski fährt oder bikt ist am Abend hungrig.

Was macht gutes Essen aus?
Das Handwerk und die Zutaten. Wenn etwas wirklich gut gemacht ist, dann stressen mich auch lange Wartezeiten nicht. Schmorbraten oder Osso Bucco zum Beispiel braucht seine Zeit. Das Fleisch muss vom Knochen fallen. Fusch in der Küche vertrage ich jedoch nicht so gut, genauso wie schlechten Service.
Was ist Ihnen besonders wichtig beim Kochen?
Sauberkeit!
«Fusch in der Küche vertrage ich , genauso Wenig wie schlechten Service.»
Und in Bezug auf die Zutaten?
Regionalität – aber das ist etwas was man heute viel zu sehr an die grosse Glocke hängt. Früher war das etwas ganz normales! Wir sind hier oben durch Simmental sehr verwöhnt und das schmeckt man einfach.
Was bedeutet für Sie gesunde Ernährung?
Man sollte sich einfach vielseitig ernähren und möglichst viel frisch zubereiten. Dann kann man essen was man will und braucht auch keine Diät.

Gibt es ein Gericht, das Sie am liebsten zubereiten
Fisch – mit Fisch kann man sehr kreativ sein. Zuhause werfe ich unheimlich gerne den Grill an. Eine Dorade auf dem Grill mit Zitrone und Thymian gefüllt ist einfach lecker. Aber auch eine selbstgemachte Pasta macht mich glücklich.
Gibt es ein Gericht, das Sie absolut nicht mögen?
Ich probiere erstmal alles. Von Spinne über Gehirn habe ich schon alles gegessen. Einiges brauche ich nicht noch einmal, aber das einzige womit ich wirklich Probleme habe ist zu viel frischer Koriander.
Welche Küche bevorzugen Sie, wenn Sie privat essen gehen?
Je nach Lust und Laune. Am liebsten gehe ich in einfache Restaurants oder Landgasthöfe.
Welches ist Ihr Lieblingsrestaurant in der Schweiz
Das „16“ in Saanen. Die Karte wechselt jeden Tag. Sie ist klein und übersichtlich, aber alle Speisen sind von Top Qualität und mit Liebe zubereitet.

«Am liebsten esse ich in einfachen Restaurants oder Landgasthöfe.»
Was darf in Ihrer Küche nicht fehlen? Bzw. Ihre Lieblingszutaten und worauf können Sie in der eigenen Küche verzichten?
Gutes Olivenöl darf in meiner Küche auf keinen Fall fehlen. Auf die Pülverchen aus der Molekularen Küche kann ich hingegen recht gut verzichten.
Woher bekommen Sie Inspirationen für neue Rezepte?
Ich bin ein grosser Kochbuchsammler. Die Kochbücher von Daniel Humm zum Beispiel sind grossartig gemacht. Beim Durchblättern seiner Bücher fängt es sofort in meinem Kopf an zu rattern. Seine Techniken sind einfach meisterhaft. Manchmal versucht man sich dann auch an so einer Technik und entwickelt etwas ganz eigenes daraus. Momentan interessiere ich mich sehr fürs Fermentieren. Zudem findet man in Kochbüchern häufig Produkte wieder, die in Vergessenheit geraten sind. Man muss einfach offen sein für Neues.
Was wäre Ihre Galgenmahlzeit / Henkersmahlzeit
Schmorbraten mit Kartoffelstock und viel Sosse.
Kochen ich für Sie in drei Worten…?
Spass, Teamarbeit und anderen Freude bereiten.