Einsame Buchten, authentische Landschaften und verwinkelte Städtchen – auf dem Cami de Cavalls in Menorca kommt jedes Wanderherz auf seine Kosten.

Text: Franziska Köhl

Es ist Nachmittag an einem sonnigen Tag im Spätfrühling, als unsere kleine Reisegruppe den Weitwanderwegs GR 223, wie der Cami de Cavalls offiziell in Spanien verzeichnet ist, entdeckt. Vor uns das türkisblaue Meer der Bucht Cala Galdana, beginnen wir unseren Weg über schmale Pfade und staubige Wege, über Stege und durch Wälder, immer das Singen der Vögel und das Zirpen der Grillen in den Ohren. Nur wenige Menschen begegnen uns an diesem Tag, was sehr entspannend, aber gleichzeitig auch verwunderlich ist, blickt der Weg doch auf eine lange und bewegte Geschichte zurück.

Ein Pfad mit einer bewegten Vergangenheit
Bereits seit der katalanischen Eroberung im Jahr 1287 gab es auf der Baleareninsel Menorca grosse Landbesitze mit feudalem Charakter, die «Caballeries». Durch ihren Pachtzins konnten Ritter zum Schutz der Insel finanziert werden. Der Verlauf des Pferdepfades nahm bereits im 14. Jahrhundert erstmals seine heutige Gestalt an, denn über ihn erreichte man vom Land her die meisten Buchten und Strände und konnte so die gesamte Küste überwachen, was vor allem im Hinblick auf die exponierte Stellung der Insel im Mittelmeer und die damals herrschende Piraterie von grosser Bedeutung war.

Erstmals schriftlich erwähnt wurde der Küstenweg im 17. Jahrhundert, als nachweislich allen Inselbewohnern der freie Durchgang durch die vorwiegend privaten Landgüter erlaubt war. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Grundbesitzer jedoch verschiedene Abschnitte der Strecke für die Öffentlichkeit sperrten, da der Pfad militärisch nicht mehr von Bedeutung war, verwahrloste er zusehends und verfiel in Vergessenheit. Erst vor zirka 40 Jahren besannen sich die Menorquiner wieder auf ihre alten Werte: die Liebe zur Natur und ihr kulturelles Erbe. Sie forderten mit Erfolg das alte Wegerecht, und so kann seit 2009 der nun durch Holzpfeiler und Übersichtstafeln gekennzeichnete Rundweg wieder uneingeschränkt genutzt werden. Auch wir freuen uns über die gut ausgeschilderten und gepflegten Wege, denen wir gespannt folgen, um die Küste und das Umland zu entdecken.

In 20 Etappen um die Insel
Die zahlreichen Buchten, die der Cami de Cavalls kreuzt, bieten immer wieder spektakuläre Ausblicke, die auch uns immer wieder von Neuem überraschen. Vor allem im Süden geht es von einer Traumbucht zur nächsten, dazwischen durchquert man alte Steineichen- und Kiefernwälder. Hinter den für Menorca so typischen Trockensteinmauern, die abschnittsweise den Weg begleiten, wird die mediterran anmutende Szenerie von weidenden Rindern und Getreidefeldern unterbrochen. Während unserer Wanderung sehen wir immer wieder die so typischen schwarz-weiss gefleckten Friesischen Kühe, die im 18. Jahrhundert aus den Niederlanden importiert wurden und heute überall auf der Insel zu entdecken sind. Aus ihrer Milch wird der berühmte menorquinische Käse Queso de Mahón produziert, der hervorragend zum lokalen Roséwein passt. Nachdem der Rundweg weitgehend durch unbesiedeltes Gebiet führt, sollte man unbedingt immer genügend Proviant sowie Getränke bei sich führen. Menorca verfügt über keine Trinkwasserquellen, und die kleinen Orte, speziell in den Küstenregionen, sind ausserhalb der Saison, die von April bis Oktober dauert, meistens verwaist. Ein Stück Käse und etwas Weissbrot eignen sich jedoch wunderbar als Proviant!

Perfekt für Genusswanderer
Die Insel Menorca ist durch ihre exponierte Lage und ihren eindrücklichen Naturhafen in Mahón schon seit vielen Jahrhunderten, lange bevor es Tourismus gab, für verschiedenste Länder, Herrscher und auch Piraten von grossem Interesse. Charakteristisch sind die unzähligen Trockenmauern, die das Land in kleine Parzellen teilen. Würde man alle Mauern aneinanderreihen, entstände eine Strecke von 50.000 Kilometern. Die UNESCO erklärte 1993 die gesamte Insel zum Biosphärenreservat, was uns nicht zuletzt durch die vielen Vogelstimmen und Eidechsen während unserer Wanderung immer wieder ins Bewusstsein gerufen wird. Es gibt nur wenige Erhebungen auf Menorca, der höchste «Berg» ist der Monte Toro mit 357 Metern Höhe. Wir Genusswanderer freuen uns sehr, dass sich anstrengende Steigungen in Grenzen halten. An fast jeder Ecke können wir den Oleaster, eine wilde Olivenbaumsorte, entdecken. Da er sich durch seine Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit, Hitze und die starken Winde auszeichnet, wird er auch gerne und viel für Zäune und Gatter verwendet und ist so auf vielfältige Art aus dem Anblick der Insel nicht wegzudenken.

Der Rundweg ist in insgesamt 20 Etappen beschrieben, die für Wanderer mit einer durchschnittlichen Kondition jeweils an einem halben Tag zu schaffen sind. Anfangs- und Endpunkte jeder Etappe liegen in bewohnten Siedlungen, die gut per Bus oder Taxi zu erreichen sind. Direkt an der Küste gibt es jedoch kaum Übernachtungsmöglichkeiten, weshalb sich die Feinplanung der Reise mit einem lokalen Anbieter empfiehlt. Das spontane Zelten in der Natur ist auf Menorca nicht erlaubt. Das Biwakieren, sprich im Schlafsack unter freiem Himmel übernachten, wird aber auf der gesamten Insel geduldet. Wir bevorzugen dennoch unser gemütliches Wellness-Hotel «Artiem Audax», direkt an der Cala Galdana, in dem man perfekt nach einem langen Wandertrag entspannen und sich verwöhnen lassen kann.

Kleiner Tipp
Zehn Tage sollte man sich mindestens Zeit nehmen, will man den «Weg der Pferde» mit seinen 184,5 Kilometern Länge komplett erwandern. Erschlossen in 20 Etappen führt der Rundwanderweg immer der Küste entlang. Die beste Wanderzeit ist von April bis Juni und September bis Anfang November. www.camidecavalls360.com